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Bartimäus 02 - Das Auge des Golem

Titel: Bartimäus 02 - Das Auge des Golem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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abzuwehren, waren ebenfalls schwarz gestreift.
    Er reagierte auf die Berührung: drehte den Kopf hin und her und ein schmerzlicher Ausdruck huschte über das fahle Gesicht. Die grauen Lippen öffneten sich, zuckten, als wollte er etwas sagen. Kitty zog ihre Hand zurück und beugte sich über ihn.
    »Jakob?«
    Die Augen öffneten sich so überraschend, dass sie unwillkürlich zurückschreckte und sich an der Ecke des Nachttischs stieß. Noch einmal beugte sie sich über ihn, obwohl sie sofort merkte, dass er nicht bei Bewusstsein war. Die aufgerissenen Augen starrten ins Leere, ohne etwas zu sehen. Gegen die schwarzgraue Haut sahen sie hell und bleich aus wie zwei milchig weiße Opale. Erst jetzt kam ihr der Gedanke, dass er vielleicht blind war.
    Als die Visite mit Herrn und Frau Hyrnek hereinkam und in ihrem Kielwasser auch Kittys laut schluchzende Mutter mitbrachte, kniete Kitty neben dem Bett, umklammerte mit beiden Händen Jakobs Hand und hatte den Kopf auf die Bettdecke gelegt. Nur mit sanfter Gewalt ließ sich das Mädchen wegziehen.
    Wieder nach Hause entlassen, entzog sich Kitty ihrerseits den besorgten Fragen ihrer Eltern und rannte sogleich die Treppe zum ersten Stock des kleinen Hauses hinauf. Sie stand lange vor dem Spiegel auf dem Treppenabsatz und betrachtete sich eingehend: ihr unverändertes, unversehrtes Gesicht, die weiche Haut, das dichte, dunkle Haar, die Lippen und die Augenbrauen, die sommersprossigen Hände, den Leberfleck neben der Nase. Alles war genau wie vorher. So, wie es eigentlich nicht mehr hätte sein dürfen.
    Dann setzte sich wie üblich das schwerfällige Räderwerk der Justiz in Gang. Während Jakob noch bewusstlos im Krankenhaus lag, erschien die Polizei schon bei Kittys Familie, um die Aussage des Mädchens aufzunehmen, was ihre Eltern sichtlich beunruhigte. Kitty gab sachlich und ohne abzuschweifen alles, woran sie sich erinnerte, zu Protokoll, und die junge Polizistin schrieb mit.
    »Es wird doch hoffentlich keinen Ärger geben?«, fragte Kittys Vater, als seine Tochter geendet hatte.
    »Wir wollen nämlich keinen Ärger«, setzte die Mutter hinzu, »ganz bestimmt nicht.«
    »Wir werden der Sache nachgehen«, erwiderte die Beamtin, die immer noch schrieb.
    »Wie wollen Sie ihn denn finden?«, erkundigte sich Kitty. »Ich weiß nicht, wie er heißt, und den Namen von diesem…Vieh hab ich auch vergessen.«
    »Anhand seines Wagens. Wenn er, wie du sagst, einen Unfall gebaut hat, muss er den Wagen in irgendeine Reparaturwerkstatt gebracht haben. Dann können wir feststellen, was sich in Wahrheit zugetragen hat.«
    »Die Wahrheit hab ich Ihnen doch schon erzählt!«
    »Wir wollen keinen Ärger«, wiederholte Kittys Vater.
    »Sie hören von uns«, sagte die Polizistin und klappte ihren Notizblock zu.
    Der Wagen, ein Rolls-Royce Silver Thruster, war bald gefunden, die Identität des Besitzers geklärt. Es handelte sich um einen gewissen Julius Tallow, einen Zauberer, welcher in der von Mr Underwood geleiteten Abteilung für Innere Angelegenheiten arbeitete. Obwohl er keinen besonders hohen Posten bekleidete, hatte er doch einflussreiche Beziehungen und war eine bekannte Persönlichkeit. Er gab freimütig zu, dass er es gewesen sei, der die beiden Kinder im Wandsworth Park der Schwarzen Schleuder unterzogen hatte, und betonte ausdrücklich, dass er voll und ganz hinter seiner Tat stand. Nichts Böses ahnend, sei er am Park vorbeigefahren, als ihn die betreffenden Personen angegriffen hätten. Sie hätten einen Gegenstand auf seine Windschutzscheibe geworfen, sodass diese zersplittert sei und er die Kontrolle über den Wagen verloren habe, dann seien sie mit zwei großen Holzprügeln über ihn hergefallen, in der unverkennbaren Absicht, ihn auszurauben. Er habe sich lediglich verteidigt und sie außer Gefecht gesetzt, bevor sie ihm etwas antun konnten. Unter diesen Umständen halte er seine Reaktion für nachgerade maßvoll.
    »Er lügt wie gedruckt«, widersprach Kitty. »Erst mal waren wir überhaupt nicht an der Straße, und wenn er angeblich aus Selbstschutz gehandelt hat, wie kommt es dann, dass man uns oben an der Brücke gefunden hat? Haben Sie ihn verhaftet?«
    »Er ist ein Zauberer!«, sagte die Polizeibeamtin erstaunt. »So einfach geht das nicht. Er streitet alle Anschuldigungen ab. Nächsten Monat kommt der Fall vors Oberste Zivilgericht. Wenn du die Angelegenheit weiter verfolgen willst, musst du dort erscheinen und gegen Mr Tallow aussagen.«
    »Prima«, entgegnete Kitty.

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