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Bartimäus 02 - Das Auge des Golem

Titel: Bartimäus 02 - Das Auge des Golem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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Ausmaß der Verwüstung, dem ich unterwegs begegnete, ließ mich zweifeln, dass ich es mit einem Menschen zu tun hatte. Aber was konnte es sonst sein? Ein Afrit? Möglich, aber irgendwie untypisch. Von einem Afriten würde man zuallererst magische Attacken erwarten, erstklassige Detonationen und Infernos, aber auf dergleichen wies nichts hin, hier war jemand mit roher Gewalt vorgegangen. Ein Marid? Dafür galt dasselbe, außerdem hätte ich in beiden Fällen längst magische Schwingungen wahrnehmen müssen. 29
(Mariden haben eine so starke Aura, dass man sie anhand der magischen Spur orten kann, die hinter ihnen in der Atmosphäre zurückbleibt wie die Schleimspur einer Schnecke. Im direkten Gespräch mit einem Mariden sollte man sich diesen Vergleich allerdings lieber verkneifen. )
Aber ich hatte keinerlei Empfang. Sämtliche Räume waren kalt und tot. Was wiederum zu dem passte, was mir der Junge über die vorangegangenen Überfälle berichtet hatte, nämlich dass es nicht den Anschein hatte, als ob überhaupt irgendwelche Geister daran beteiligt gewesen seien.
    Um ganz sicherzugehen, sandte ich vorsichtshalber erst einen kleinen magischen Impuls durch die nächste Wandöffnung, aus der lautes Getöse drang. Ich wartete, dass der Impuls wieder zurückgesprudelt kam, entweder abgeschwächt (falls im Nachbarraum keine Zauberkraft zugange war) oder verstärkt (falls dort eine fremde Macht auf der Lauer lag).
    Zu meiner Bestürzung kam der Impuls überhaupt nicht wieder zurück.
    Der Minotaurus rieb sich nachdenklich die Schnauze. Seltsam… und irgendwie vertraut. Etwas Ähnliches war mir doch schon mal untergekommen.
    Ich legte das Ohr an die Mauer. Wieder waren nur gedämpfte Geräusche zu hören. Der Minotaurus zwängte sich durch das Loch…
    Und stand in einem weitläufigen Saal, doppelt so hoch wie die vorhergehenden Räume. Der Regen klopfte an die hohen, rechteckigen Fenster, die auf beiden Seiten hoch oben angebracht waren, und von irgendwo aus der Nacht, vielleicht von einem fernen Turm, fiel ein schwaches weißes Licht auf die Einrichtung. Überall standen riesengroße alte Skulpturen herum, samt und sonders in Dunkelheit getaucht: ein Paar assyrische Torwächter-Dschinn (geflügelte Löwen mit Menschenköpfen, die einst die Tore Nimruds bewacht hatten), 30
(Die Abbilder waren allesamt aus Stein. In Assyriens Blütezeit wären die Dschinn echt gewesen und hätten Fremden, ähnlich wie eine Sphinx, Rätsel aufgegeben und sie aufgefressen, wenn die Antworten falsch, grammatikalisch nicht korrekt oder in bäurischem Dialekt ausgedrückt waren. Diese Bestien waren da sehr pingelig. )
eine wilde Mischung ägyptischer Götter und Geister aus verschiedenfarbigem Stein mit Krokodil-, Katzen-, Ibis-und Schakalköpfen, 31
(Letzterer, der olle Anubis, jagt mir immer noch einen Schrecken ein, wenn ich ihm unvermutet gegenüberstehe. Aber es wird allmählich besser. Schließlich ist Jabor schon eine ganze Weile tot. 9 Ramses wäre nicht erstaunt gewesen, dass ausgerechnet seine Statue so widerspenstig war. Weder vor noch nach seiner Zeit hatte ich das Pech, einem Menschen mit einem derartig aufgeblasenen Ego dienen zu müssen. Und das, obwohl er klein und o-beinig und sein Gesicht so pockennarbig war wie ein Nashornhintern. Aber an seinem Hof wirkten mächtige Zauberer. Vierzig Jahre lang musste ich auf seinen Befehl an bombastischen Bauprojekten mitschuften, zusammen mit tausenden anderer versklavter Geister. )
überdimensionale, aus Stein gemeißelte Darstellungen des heiligen Skarabäuskäfers, Sarkophage längst vergessener Priester und vor allem Bruchstücke von Monumentalstatuen der großen Pharaonenkönige: abgeschlagene Köpfe, Arme, Rümpfe, Hände und Füße, irgendwo in der Wüste ausgebuddelt und per Segelboot und Dampfschiff in den grauen Norden verschleppt.
    Unter anderen Umständen hätte ich vielleicht in nostalgischen Gefühlen geschwelgt und nach Abbildern früherer Freunde und Herren gesucht, aber dazu war jetzt nicht der rechte Moment. Eine Spur der Verwüstung zog sich durch den halben Saal. Ein paar kleinere Pharaonen waren umgekippt und lagen wie umgeworfene Kegel würdelos am Boden, während etliche Götter dichter zusammenstanden, als es ihnen zu Lebzeiten recht gewesen wäre. Aber wo diese sich in ihr Schicksal gefügt hatten, leisteten andere, größere Skulpturen mehr Widerstand. Mitten im Saal, dort wo die Spur des Eindringlings endete, erhob sich eine gewaltige Sitzstatue von Ramses dem

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