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Bartimäus 02 - Das Auge des Golem

Titel: Bartimäus 02 - Das Auge des Golem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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mir zu und hob die Silbersense.
    Da griff mein Herr ein.
    Alles in allem war er kein besonders guter Herr gewesen (beispielsweise hatte er eine entschiedene Schwäche für den Glühheißen Stichel), doch von meiner Warte aus war seine letzte Tat eine echte Glanzleistung.
    Überall waren Kobolde, hüpften über seinen Kopf, duckten sich zwischen seinen Beinen durch, grabschten nach dem Kaiser. Mit einem Wutschrei zog mein Herr eine Detonationsstange aus der Tasche, eine von den neuartigen, welche die Alchimisten im Goldenen Gässchen angesichts der britischen Bedrohung hergestellt hatten. Es handelte sich um billige Massenproduktion, Schund, der entweder zu früh oder auch gar nicht losging. In jedem Fall war man gut beraten, die Dinger nach dem Auslösen sofort in Richtung Feind zu schleudern. Aber mein Herr war eben ein typischer Zauberer. Keine Erfahrung im Nahkampf. Die Aktivierungsformel konnte er fehlerfrei aufsagen, dann jedoch zögerte er, schwenkte die Stange über dem Kopf und vollführte Scheinausfälle gegen die Kobolde, als könnte er sich nicht entschließen, welchen er zuerst aufs Korn nehmen sollte.
    Er zögerte einen Sekundenbruchteil zu lang.
    Die Explosion riss die halbe Treppe weg. Kobolde, Kaiser und Höflinge wurden wie Löwenzahnsamen in die Luft geblasen. Mein Herr selbst verschwand spurlos.
    Mit seinem Tod zerfielen auch die Fesseln, die mich an ihn ketteten.
    Der Afrit ließ die Sichel dort niedersausen, wo eben noch mein Kopf gelegen hatte. Sie bohrte sich tief in die Erde.
    Auf diese Weise wurden meine Bande an Prag nach hunderten von Jahren und einem guten Dutzend Herren gelöst. Doch während sich meine Substanz erleichtert in alle Winde zerstreute, blickte ich noch einmal auf die brennende Stadt hinab, auf die marschierenden Truppen, die heulenden Kinder und johlenden Kobolde, auf die letzten Zuckungen des alten Reiches und die blutige Taufe des folgenden, und empfand dabei nur wenig Genugtuung.
    Mir schwante, dass alles nur noch viel, viel schlimmer werden würde.
     
     

Teil EINS
Nathanael
1
    London: eine bedeutende und blühende, zweitausend Jahre alte Metropole, die es sich unter der Herrschaft der Zauberer zum Ziel gesetzt hatte, alle anderen Städte der Welt zu übertreffen. Zumindest was die Größe anging, war ihr das gelungen. Die Stadt nährte sich von den üppigen Früchten des Reiches und war unmäßig und unförmig gewachsen.
    Sie fraß sich zu beiden Ufern der Themse kilometerweit ins Land hinein, ein in Dunst gehüllter Schorf aus Wohnhäusern, dazwischen Behördenpaläste, Türme, Kirchen und Märkte, dazu eine Innenstadt, die immerzu und überall vor Geschäftigkeit summte. Die Straßen waren mit Touristen, Arbeitern und anderem menschlichen Betrieb überfüllt und verstopft, und die Luft brummte vor unsichtbaren Kobolden, die im Auftrag ihrer Herren unterwegs waren.
    Auf den überfüllten Kais, die in die grauen Fluten der Themse ragten, warteten Bataillone von Soldaten und Bürokraten darauf, zu ihren Fahrten kreuz und quer über den Globus in See zu stechen. Im Windschatten ihrer eisengepanzerten Segelschiffe kurvten kunterbunte Handelsfahrzeuge jeder Form und Größe über den brechend vollen Fluss. Flinke Zweimaster aus Europa, arabische Dhauen mit dreieckigen Segeln, beladen mit Gewürzen, stumpfnasige Dschunken aus China, schnittige, schlankmastige Clipper aus Amerika, und sie alle wurden von den winzigen Flussbooten der Londoner Lotsen umkreist und behindert, die lautstark darum wetteiferten, ihre Kundschaft zur Anlegestelle zu geleiten.
    Zwei Herzen hielten die Großstadt in Gang. Die östliche Innenstadt, wo sich Kaufleute aus aller Herren Länder trafen und ihre Waren tauschten, und, an eine scharfe Biegung des Flusses geschmiegt, die politische Meile von Westminster, wo die Zauberer rastlos daran arbeiteten, ihre Territorien in Übersee zu erweitern und zu sichern.
    Der Junge war dienstlich in der Innenstadt unterwegs gewesen, jetzt kehrte er zu Fuß nach Westminster zurück. Er ging gemächlich, denn obwohl es noch früh am Morgen war, schien die Sonne schon so warm, dass er spürte, wie sich unter seinem Kragen kleine Schweißperlen bildeten. Ein leichter Wind verfing sich im Saum seines langen schwarzen Mantels, sodass er hinter ihm herflatterte. Er war sich der Wirkung durchaus bewusst und sie gefiel ihm. Es verlieh ihm etwas Geheimnisumwittertes, und er registrierte, dass sich die Leute nach ihm umdrehten. An richtig windigen Tagen, wenn der Mantel

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