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Bartimäus 02 - Das Auge des Golem

Titel: Bartimäus 02 - Das Auge des Golem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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blanken schwarzen Augen funkelten Kitty an, die zahllosen Falten in ihrem Gesicht verzogen sich, als sie lächelte. Kitty lächelte verunsichert zurück. Eine welke Hand hob sich, ein runzliger Finger krümmte sich und winkte sie heran, einmal, zweimal. Mit klopfendem Herzen trat Kitty näher. Noch nie, obwohl sie so oft hier gewesen war, hatte sie ein Wort mit Jakobs Großmutter gewechselt, ja, sie hatte sie kein einziges Mal sprechen gehört. Eine kindische Angst befiel sie. Was sollte sie sagen? Sie konnte kein Tschechisch. Was wollte die alte Frau von ihr? Plötzlich kam sich Kitty vor wie im Märchen: das verirrte Kind in der Küche der Menschen fressenden Hexe. Sie…
    »Das hier ist für dich«, sagte Jakobs Großmutter laut und deutlich und mit unverkennbarem Südlondoner Akzent und kramte in den Taschen ihrer weiten Röcke. Dabei ließ sie Kitty nicht aus den Augen. »Du sollst es immer bei dir tragen… Na, wo hat er sich versteckt, der kleine Schelm? Ah… da ist er ja!«
    Sie streckte Kitty die geschlossene Hand hin, und Kitty spürte, wie schwer und kalt der Gegenstand war, bevor sie sah, worum es sich handelte. Es war ein kleiner, tränenförmiger Silberanhänger mit einer Öse dran, damit man ihn an einer Kette um den Hals hängen konnte. Kitty war verdutzt.
    »Danke«, sagte sie. »Der ist… schön.«
    Jakobs Großmutter brummte: »Hm. Echtes Silber. Ist das alles, was dir dazu einfällt, Mädchen?«
    »Er… er ist bestimmt sehr wertvoll. Ich… glaube nicht, dass ich das…«
    »Nimm ihn und trag ihn.« Zwei schrumplige Hände legten sich um Kittys Finger und schlossen sie sanft über dem Schmuckstück. »Man kann nie wissen. Aber jetzt muss ich noch hundert Erbsenschoten palen. Vielleicht auch hundertzwei – eine für jedes Lebensjahr, was? Na dann, ich muss mich ranhalten. Ab mit dir!«
    In den folgenden Tagen hielt Kitty immer wieder Kriegsrat mit ihren Eltern, aber sie kamen jedes Mal zum selben Ergebnis: Selbst wenn sie ihre ganzen Ersparnisse zusammenlegten, fehlten immer noch mehrere hundert Pfund zu der vom Gericht verhängten Geldstrafe. Der Verkauf des Hauses schien trotz aller Unwägbarkeiten die einzige Lösung zu sein.
    Abgesehen vielleicht von Mr Pennyfeather.
    »Rufen Sie mich an, wenn Sie interessiert sind. Sie haben eine Woche Zeit.« Kitty hatte weder ihren Eltern noch sonst jemandem von ihm erzählt, aber sie hatte seine Worte nicht vergessen. Er hatte versprochen, ihr zu helfen, womit sie im Prinzip kein Problem hatte, die Frage war bloß: Warum? So etwas tat man doch nicht aus reiner Gutmütigkeit.
    Aber wenn sie nichts unternahm, verloren ihre Eltern das Haus.
    Im Telefonbuch war T. E. Pennyfeather jedenfalls verzeichnet, und zwar in Southwark unter »Künstlerbedarf« und mit derselben Telefonnummer wie auf der Visitenkarte. So weit schien alles seine Richtigkeit zu haben.
    Aber was konnte er wollen? Einerseits hatte Kitty das deutliche Gefühl, dass sie die Angelegenheit lieber auf sich beruhen lassen sollte, andererseits sah sie nicht, was sie noch groß zu verlieren hatte. Wenn sie die Strafe nicht bald bezahlte, würde man sie verhaften. Mr Pennyfeathers Angebot war der einzige Strohhalm, der sich ihr bot.
    Irgendwann rang sie sich zu einem Entschluss durch.
    Zwei Straßen weiter gab es eine Telefonzelle. Eines Morgens zwängte sie sich in die enge Kabine und wählte die betreffende Nummer.
    Eine brüchige, etwas kurzatmige Stimme meldete sich. »Künstlerbedarf, guten Tag?«
    »Mr Pennyfeather?«
    »Miss Jones! Das freut mich aber. Ich dachte schon, Sie rufen gar nicht mehr an.«
    »Doch. Hören Sie, ich… Ihr Angebot interessiert mich, aber erst wüsste ich gern, was Sie dafür von mir verlangen.«
    »Natürlich, natürlich, das will ich Ihnen erklären. Wo wollen wir uns treffen?«
    »Sagen Sie es mir jetzt, am Telefon.«
    »Das halte ich nicht für ratsam.«
    »Das macht nichts. Ich will kein Risiko eingehen. Ich kenne Sie nicht und…«
    »Da haben Sie Recht. Ich mache Ihnen einen Vorschlag. Wenn Sie mit meinen Bedingungen nicht einverstanden sind, auch gut, dann ist unsere Bekanntschaft damit beendet. Wenn Sie aber doch einverstanden sind, sehen wir weiter. Mein Vorschlag: Wir treffen uns im Druiden-Café an den Seven Dials. Kennen Sie das? Ein sehr beliebtes Café und gut besucht. Dort können wir uns unterhalten, ohne dass Sie etwas zu befürchten haben. Wenn Sie das nicht überzeugt, schlage ich etwas anderes vor. Sie schreiben auf einen Zettel, wo wir uns

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