Bartimäus 03 - Die Pforte des Magiers
bewachten einen solchen Gefangenentrupp, der aus etwa zwanzig an den Händen gefesselten Zauberern bestand. Unweit davon stand in einem Pentagramm vor Noudas Thron eine Gefangene, der man soeben die Fesseln abgenommen hatte. Mit bebender Stimme sprach sie die verhängnisvolle Formel. Nathanael kannte die Frau nicht, wahrscheinlich arbeitete sie in einer anderen Behörde. Sie verkrampfte sich und begann zu zucken. Um sie herum flimmerte die Luft, als der Dämon von ihr Besitz ergriff. Faquarl hob die Hand, und die Dämonin Naeryan, die sich in Jenkins niedergelassen hatte, führte die Zauberin behutsam quer durch den Saal, dorthin, wo…
Nathanael standen die Haare zu Berge. Da waren sie –über zwanzig Zauberer aller Dienstgrade, zappelten, lachten irre, fielen hin und wälzten sich am Boden, während ihre neuen Herren die ungewohnten Möglichkeiten ihrer Körperlichkeit ausloteten. Hin und wieder traf ein magischer Kraftschwall die Wand, man hörte unverständliches Gebrabbel, misstönende Freuden-und Schmerzensschreie. Und wer war das dort, der unkontrolliert mit dem Kopf ruckte, wie eine Marionette die Arme hochriss und wieder herabfallen ließ und dabei mit rosigen Wangen und leerem Grinsen vor sich hin stierte? Nathanael lief es kalt den Rücken herunter.
Es war der Premierminister Rupert Devereaux.
Trotz allem, was vorgefallen war, trotz seines wachsenden Abscheus vor dem, was der Mann einmal gewesen war und wofür er gestanden hatte, schossen Nathanael die Tränen in die Augen. Plötzlich war er wieder zwölf Jahre alt, stand im Trubel von Westminster Hall, sah Devereaux zum allerersten Mal, jenen strahlenden, scharmanten Mann, der alles verkörperte, was der junge Gehilfe selbst so gern gewesen wäre.
Devereaux machte einen Luftsprung, stieß mit einem anderen Dämon zusammen und stürzte zappelnd hin. Nathanael wurde schlecht vor Entsetzen, ihm schlotterten die Knie.
»Na los!« Der Söldner gab ihm einen Schubs. »Stell dich in die Schlange.«
»Augenblick!« Nathanael drehte sich um. »Kitty…«
»Sei froh, dass ihr ein anderes Los bestimmt ist.«
Ihre Blicke trafen sich kurz, dann wurde Nathanael grob in die Schlange der Gefangenen gestoßen. Lime drehte sich um und erkannte ihn. Seine Augen funkelten dämonisch grün. Aus dem schiefen Mund kam eine abgehackte Stimme wie brechende Äste: »Faquarl! Hier ist der Freund von Bartimäus! Willst du den vorziehen?«
»Klar doch, Gaspar. Er darf sich vorn anstellen, dann kommt er direkt nach der Vogelscheuche da dran. Die wollt Ihr vermutlich nicht verspeisen, Fürst Nouda.«
Von oben dröhnte es: »Da ist ja an jedem mumifizierten Pharao mehr dran. Von der Seite ist sie bloß ein Strich. Sie soll die Formel sprechen.«
Nathanael sah gebannt auf die Gestalt im Pentagramm. Dort stand klapperdürr und mit zerzaustem weißen Haar seine ehemalige Meisterin Jessica Whitwell und hob den Blick zum Thron. Der Withersdämon hatte ihr eben die Fesseln abgenommen und sie ballte die knochigen Fäuste.
»Gut.« Faquarl warf einen Blick in sein Buch. »Nummer achtundzwanzig. Mal sehen. Für dich hätte ich den Afriten Mormel. Eine bedeutende Wesenheit. Du darfst dich geschmeichelt fühlen.«
»Was haben Sie mit uns vor?«, wandte sich Miss Whitwell an den Oberdämon.
»Wag es ja nicht, das Wort an Nouda den Großen zu richten!«, brüllte Faquarl. »Du und deinesgleichen habt unsereinen jahrtausendelang bedenkenlos geknechtet. Was glaubst du wohl, was wir vorhaben? Seit fünftausend Jahren sinnen wir auf Rache! Jetzt ist kein Winkel der Erde mehr vor uns sicher!«
Miss Whitwell lachte verächtlich. »Da überschätzt ihr euch gewaltig. Ihr könnt ja kaum geradeaus laufen, so tollpatschig seid ihr.«
»Unsere Probleme sind im Gegensatz zu euren nur vorübergehend«, konterte Faquarl. »Sprich die Formel.«
»Allen anderen habt ihr die Wahl gelassen«, erwiderte Jessica Whitwell ruhig. »Mich hast du nicht gefragt, wofür ich mich entscheide.«
Faquarl ließ das Buch sinken und kniff die Augen zusammen. »Ich gehe davon aus, dass du wie die anderen Jammerlappen lieber am Leben bleibst, auch wenn es ein Leben aus zweiter Hand ist.«
»Da irrst du dich.«
Miss Whitwell hob die Hände, vollführte eine komplizierte Gebärde und sprach einen kurzen Befehl. Ein gelber Blitz, eine Schwefelwolke und über ihrem Kopf erschien ihr Leibafrit in Gestalt eines beklommen dreinschauenden Bären. Whitwell blaffte noch einen Befehl und ein bläulicher Schutzschild umgab
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