Bartimäus 03 - Die Pforte des Magiers
Danke.« Sie stellte sich mit dem Rücken zur Tür. »Erst müssen Sie wissen, was überhaupt geschehen ist. Draußen könnte die Lage… kritisch sein. London wurde von Dämonen überfallen.«
Entsetztes Keuchen, vereinzelte Flüche, Bestürzung malten sich auf den Gesichtern. Jung und Alt starrte Kitty erschüttert und verängstigt an. Alle zauberische Selbstherrlichkeit war verschwunden, es waren nurmehr ganz gewöhnliche Menschen, zu Tode geängstigt, orientierungslos, unverstellt. Kitty hob die Hand. »Wenn Sie möchten, kann ich Ihnen mehr darüber berichten.«
»Moment mal.« Die Schwarzhaarige packte Kitty am Arm. »Wer sind Sie überhaupt? Ich kann mich nicht erinnern, Ihr Gesicht schon mal gesehen zu haben, ganz zu schweigen von«– sie schürzte verächtlich die Lippen –»den Lumpen, die Sie am Leib tragen. Wahrscheinlich sind Sie noch nicht mal Zauberin.«
»Stimmt«, blaffte Kitty zurück, »ich bin eine Gewöhnliche. Und Sie täten gut daran, den Mund zu halten und zuzuhören, wenn Ihnen Ihr Leben lieb ist.«
Die Frau riss empört die Augen auf. »Was unterstehst du dich…?«
»Sie hat Recht, halten Sie die Klappe, Farrar«, schnitt ihr ein Mann das Wort ab.
Die Frau rang empört nach Luft und schaute mit wilden Blicken um sich, ließ Kittys Arm aber los.
Alle anderen lauschten Kittys Bericht mit ernsten, sogar dankbaren Mienen. Schwer zu sagen, ob der Schreck noch nachwirkte und sie deshalb so ruhig waren oder ob sie in dem grauhaarigen Mädchen mit dem zerfurchten, erschöpften Gesicht jemanden erkannten, dem unbedingte Achtung gebührte. Jedenfalls hörten sie gespannt zu, als Kitty ihnen erläuterte, was vorgefallen war.
»Was ist mit den anderen passiert?«, erkundigte sich ein älterer Mann beklommen. »Es waren mindestens hundert Zauberer im Theater, die sind doch bestimmt nicht alle…«
»Das weiß ich nicht«, erwiderte Kitty. »Vielleicht sind irgendwo noch andere Gefangene eingesperrt. Vielleicht haben die Dämonen welche vergessen oder einfach ihrem Schicksal überlassen, da müssen Sie selbst nachschauen. Aber die meisten sind tot.«
»Was ist mit Mr Devereaux?«, flüsterte eine Frau.
»Und mit Jessica Whitwell? Und…?«
Kitty wartete abermals mit erhobener Hand, bis Ruhe eingekehrt war. »Tut mir Leid, auch das weiß ich nicht. Ich halte es aber für sehr wahrscheinlich, dass die einflussreichsten und erfahrensten Zauberer entweder besessen oder tot sind.«
»Ich bin weder das eine noch das andere!«, meldete sich die Schwarzhaarige aufgebracht zu Wort. »Solange sonst keiner da ist, bin ich das einzige verbliebene Kabinettsmitglied und trage somit die Verantwortung. Wir müssen schleunigst die Pentagramme aufsuchen und unsere Diener herbeirufen. Ich setze mich unverzüglich mit meinen Polizeiwölfen in Verbindung. Die sollen die abtrünnigen Dämonen aufspüren und liquidieren.«
»Zwei Dinge noch«, fuhr Kitty unbeirrt fort, »nein, drei. Erstens muss sich jemand um den Mann hier kümmern. Kann irgendwer für eine Transportmöglichkeit sorgen?«
»Ich.« Der picklige Jüngling beugte sich über den Reglosen. »Aber ich brauche noch zwei Helfer. Mr Johnson, Mr Vole, würden Sie mir bitte helfen, ihn in einen Wagen zu schaffen?« Die drei Männer stützten den Verletzten und verließen mit ihm den Raum.
Dann klatschte jemand in die Hände. Die Schwarzhaarige stand an der Tür. »In die Pentagramme, aber dalli!«, kommandierte sie.
Niemand rührte sich. »Ich glaube, die Dame hat uns noch mehr zu sagen«, meinte ein älterer Mann und nickte Kitty zu. »Wir sollten sie erst anhören, meinen Sie nicht, Miss Farrar? Schon aus Höflichkeit.«
Miss Farrars Mundwinkel zuckten. »Sie ist doch bloß eine…«
»Zwei andere Punkte möchte ich noch erwähnen«, sprach Kitty weiter. Sie war schrecklich müde und ihr war ein wenig schwindlig. Sie musste sich setzen. Komm schon, reiß dich zusammen, bring’s hinter dich. »Der Oberdämon Nouda ist fürchterlich. Es wäre Wahnwitz, sich ihm ohne eine wirklich mächtige Waffe zu nähern. Eben das geschieht bereits.« Sie blickte von einem schweigenden Zuhörer zum anderen. »Ein Zauberer, ein weiteres Kabinettsmitglied«, Kitty konnte sich einen hämischen Seitenblick auf Miss Farrar nicht verkneifen, »ist schon unterwegs, um ihn zu stellen. Er will ihn mithilfe von Gladstones Stab bezwingen.«
Mit dem darauf folgenden Tumult hatte sie halb gerechnet. Vor allem Miss Farrar schien außer sich. »Das hat Mr Devereaux
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