Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Bartimäus 03 - Die Pforte des Magiers

Titel: Bartimäus 03 - Die Pforte des Magiers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
Vom Netzwerk:
marschierte heran. Als sich die Kolonne teilte, sah man in ihrer Mitte Ptolemäus’ Vetter, den Königssohn und Thronfolger, die Stufen hochtorkeln. Ihm folgte ein Schwarm Günstlinge, Schmeichler und Speichellecker einer wie der andere. 2
(Darunter Oberpriester, Edelleute, Saufkumpane, Berufsringer, eine bärtige Dame und ein Zwerg. Der Thronfolger war vergnügungssüchtig und hatte einen schlechten Geschmack, entsprechend zahlreich war seine Anhängerschaft. )
Mein Herr und ich machten Halt und verneigten uns ehrerbietig, wie es Brauch war.
    »Vetter!« Der Sohn des Königs blieb schwankend stehen. Sein Gewand spannte über dem Bauch und war von dem kurzen Fußmarsch schweißfleckig. Sein Gesicht war vom Suff aufgedunsen, der ganze Kerl verströmte einen penetranten Weingeruch. Die Augen unter den schweren Lidern glichen stumpfen schwarzen Münzen. »Vetter«, wiederholte er, »ich dachte, ich statte dir mal einen kleinen Besuch ab.«
    Ptolemäus verneigte sich abermals. »Was mir selbstverständlich eine große Ehre ist, Herr.«
    »Wollte mal sehen, wo du dich so rumtreibst, statt mir zur Seite zu stehen«, er holte tief Luft, »wie es einem ergebenen Vetter geziemt.« Die Günstlinge kicherten. »Auf Philip und Alexander und meine anderen Vettern kann ich mich verlassen«, fuhr er mit schwerer Zunge fort. »Die schlagen für uns Schlachten in der Wüste oder wirken als Statthalter in den Fürstentümern der östlichen und westlichen Provinzen. Sie sind unserem Königshaus treu ergeben. Du hingegen…« Er unterbrach sich und zupfte an seinem verschwitzten Gewand herum. »Nun ja, ob wir uns auf dich verlassen können?«
    »Wann immer Ihr meiner Dienste bedürft.«
    »Aber können wir uns tatsächlich auf dich verlassen, Ptolemäus? Mit deinen Mädchenarmen kannst du weder ein Schwert führen noch einen Bogen spannen. Worin besteht dann deine Stärke? Hier oben«, er tippte sich mit unsicherem Finger an die Stirn, »habe ich mir sagen lassen, hier oben. Was also tust du an diesem trostlosen Ort, wo nie die Sonne scheint?«
    Ptolemäus neigte bescheiden den Kopf. »Studieren, Herr. Die Papyri und Niederschriften, die unsere ehrenwerten Priester hier seit Urzeiten aufbewahren, Werke über Geschichte und Religion…«
    »Und über Zauberei, wie ich vernommen habe. Verbotene Werke.« Das kam von einem hoch gewachsenen Priester mit schwarzem Gewand, kahl geschorenem Schädel und dezenter weißer Lehmbemalung um die Augen. Er spie das Gesagte leise zischend aus, wie eine Schlange ihr Gift versprüht. Vermutlich war er selbst ein Zauberer.
    »Ha! Sehr richtig. Über alle möglichen Verruchtheiten.« Der Thronfolger kam näher geschlurft. Ein säuerlicher Geruch drang aus seinem Mund und seinen Kleidern. »Das Volk rühmt dich deswegen, Vetter. Du benutzt deine Zauberkünste, um die Leute zu verführen, sie dir hörig zu machen. Wie man mir erzählt, kommen sie tagtäglich zu deinem Haus, um dir bei deinem Teufelswerk zuzusehen. Mir ist schon manches zu Ohren gekommen.«
    Ptolemäus schürzte die Lippen. »Ist dem so, Herr? Davon weiß ich nichts. Es stimmt, dass mich einige vom Glück weniger Begünstigte belästigen. Ich gebe ihnen ein paar Ratschläge, sonst nichts. Ich bin nur ein Knabe – ein schwacher, wie Ihr richtig sagt, und weltfremd dazu. Ich bin am liebsten allein und begehre nichts, außer mein Wissen zu mehren.«
    Diese geheuchelte Bescheidenheit (denn geheuchelt war sie – Ptolemäus’ Wissensdurst war nicht minder maßlos als der Machthunger des Thronfolgers, ja, er war sogar noch maßloser) schien den Prinzen zu erzürnen. Sein Gesicht wurde dunkelrot wie rohes Fleisch, kleine Speichelschlangen krochen ihm aus den Mundwinkeln. »Dein Wissen, hä?«, keifte er. »Welches Wissen eigentlich? Und zu welchem Zweck? In der Hand eines anständigen Mannes sind Schriftrollen und Schreibgriffel harmlose Werkzeuge, in der Hand eines bleichen Geisterbeschwörers können sie tödlicher sein als die spitzeste Klinge. Im alten Ägypten, heißt es, hätten Eunuchen ganze Heere aus dem Boden gestampft und die rechtmäßigen Pharaonen ins Meer gejagt! Ich will nicht, dass mir so etwas widerfährt. Was grinst du so dämlich, Diener?«
    Ich grinste ganz unabsichtlich. Ich freute mich bloß an dem, was er da schilderte, denn schließlich hatte ich bei jenem Heer, das tausend Jahre zuvor reinen Tisch gemacht hatte, in vorderster Linie gekämpft. Da freut man sich einfach, dass sich noch jemand an einen erinnert. Ich

Weitere Kostenlose Bücher