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Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo

Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo

Titel: Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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lungerte ich oft auf dem Palastgelände herum und erforschte das weitläufige Labyrinth aus Gängen und Lustgärten, aber den König selbst hatte ich höchstens ein, zwei Mal aus der Ferne gesehen, umgeben von einer Schar schnatternder Ehefrauen. Salomo kam nicht viel unter die Leute. Abgesehen von den täglichen Audienzen, zu denen ich nicht geladen war, hielt er sich überwiegend in seinen Privatgemächern jenseits des Nordgartens auf. 16 Und während er sich auf weichen Kissen fläzte und das Leben genoss, mussten sich seine siebzehn Spitzenmagier, die in den Türmen der Stadtmauer hausten, tagtäglich mit den erforderlichen Beschwörungen herumplagen.
    Mein voriger Meister war ebenso wie der jetzige einer der Siebzehn gewesen, und schon das war ein schlagender Beweis für Salomos Macht. Zauberer sind von Natur aus erbitterte Konkurrenten. Wenn einer von ihnen ums Leben kommt, jubeln die anderen spontan. Beziehungsweise würden sie dem betreffenden gemeingefährlichen Dschinn lieber anerkennend die Klaue schütteln, als sich eine Strafe für ihn auszudenken. Nicht so in Salomos Jerusalem. Der König wertete das Ableben eines seiner Diener als persönliche Kränkung und verlangte Vergeltung. Und so kam es, dass ich – wider alle naturgegebene Gerechtigkeit – schon wieder versklavt war.
    Bitterlich mit meinem Schicksal hadernd, ließ ich mich vom warmen, trockenen Wind weitertragen. Tief unter mir sauste mein feuriger Schatten über Olivenhaine und Gerstenfelder dahin und hüpfte steile Terrassen voller Feigenbäume hinab. Etappenweise zog Salomos kleines Königreich unter mir dahin, bis ich in der Ferne die Dächer der Hauptstadt erblickte, die sich wie Fischschuppen über den Hügel zogen.
    Noch vor ein paar Jahren war Jerusalem ein unbedeutendes, schäbiges Kaff gewesen, das es in keiner Hinsicht mit Städten wie Nimrud, Babylon oder Theben hätte aufnehmen können. Inzwischen stand es in puncto Pracht und Wohlstand diesen ehrwürdigen Weltstädten in nichts nach – und der Grund dafür ist nicht schwer zu erraten.
    Der einzige Grund war der Ring.
    Nur der Ring war dafür verantwortlich. Seinetwegen war Jerusalem derart aufgeblüht. Seinetwegen befolgten meine Herren eilfertig jeden Befehl Salomos. Seinetwegen versammelten sich überhaupt so viele Zauberer um den König wie Flöhe auf dem Hund eines Aussätzigen, wie dämliche Nachtfalter um eine Kerzenflamme.
    Es lag einzig und allein an dem Ring, den er am Finger trug, dass sich Salomo eines müßigen Lebens und Israel eines unvergleichlichen Wohlstands erfreuen konnte. Der schreckliche Ruf des Ringes hielt ehemals selbstbewusste Reiche wie Ägypten und Babylon auf Abstand und versetzte sie in beständige Sorge um ihre Grenzen.
    Der Ring. Nichts anderes.
     
    Ich hatte das legendäre Schmuckstück noch nie aus der Nähe betrachten können, aber das war auch nicht nötig. Ich wusste auch so um seine Macht. Alle magischen Gegenstände verströmen eine Aura. Je zaubermächtiger sie sind, desto heller strahlt diese Aura. Als ich Salomo einmal von Weitem vorübergehen sah, hatte ich kurz die höheren Ebenen überprüft. Das gleißende Licht brachte mich vor Schmerzen zum Aufjaulen. Salomos magisches Spielzeug leuchtete so grell, dass er selbst kaum noch zu erkennen war. Es war, als schaute man in die Sonne.
    Nach allem, was ich gehört hatte, machte das Ding äußerlich nicht viel her. Es war ein schlichter goldener Reif mit einem einzigen schwarzen Obsidian als Schmuckstein. Der Überlieferung zufolge beherbergte der Ring jedoch eine Wesenheit von unvorstellbarer Macht, die sich immer dann offenbarte, wenn der jeweilige Träger den Ring am Finger drehte. Berührte der Betreffende den Ring nur, wurde eine Schar gehorsamer Mariden, Afriten und Dschinn herbeizitiert. Anders ausgedrückt: Der Ring war ein tragbares Portal zum Anderen Ort, durch das man Geister in nahezu unbegrenzter Anzahl beschwören konnte. 17
    Salomo bediente sich dieser schauerlichen Macht nach Lust und Laune – und das, ohne sich selbst irgendwie in Gefahr zu bringen. Die üblichen Nachteile des Magierberufs waren ihm unbekannt. Weder musste er mit Kerzen hantieren, noch schmierte er sich Kreide an die Knie, er musste weder fürchten, angekokelt noch aufgefressen zu werden. Weder neidische Rivalen noch meuternde Sklaven bedrohten sein Leben.
    Angeblich wies der Ring einen kleinen Kratzer auf, nämlich dort, wo der berühmte Afrit Azul, der Salomo auf einem fliegenden Teppich von Lachisch nach

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