Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo
hämische Grinsen.
Ich fuhr zusammen. »Tag, Faquarl.«
»Na bitte«, sagte der Dschinn Faquarl, »wenigstens ich habe dich gleich erkannt. Dein alter Ruhm ist noch nicht gänzlich verblasst. Gib die Hoffnung nicht auf. Vielleicht erklingt an den Lagerfeuern dieser Welt eines Tages die Ballade von den Artischocken und hält die Erinnerung an dich und deine Großtaten wach.«
Ich sah ihn finster an. »Was willst du?«
Der Nubier zeigte über seine schwarze Schulter. »Unser heiß geliebter Meister wünscht, dass sich die ganze Truppe auf dem Hügel hinter dem Palast einfindet. Du bist der Letzte, der noch fehlt.«
»Der Tag wird ja immer besser«, sagte ich säuerlich. »Meinetwegen, gehen wir.«
Der gut aussehende Jüngling und der untersetzte, dickwanstige Nubier stapften zusammen durch den Hof, und die niederen Geister, die uns begegneten und auf den höheren Ebenen unsere wahre Natur erkannten, machten uns eilig Platz. Am hinteren Tor notierten sich wachsame Halbafriten mit Fliegenaugen und Fledermausohren unsere Namen und unsere Anzahl und überprüften auf weiteren Schriftrollen unsere Identität. Dann ließen sie uns durch und schon standen wir auf dem verwilderten Gelände am Rand des Hügels. Unter uns lag schimmernd die Stadt.
Sechs andere Geister standen bereits wartend in einer Reihe.
Da meine letzten Aufträge alles Solo-Engagements gewesen waren, sah ich meine aufsässigen Kollegen zum ersten Mal und musterte sie gründlich.
»Die abstoßendste Truppe von Tunichtguten, die sich je auf einem Fleck versammelt hat«, bemerkte Faquarl, »und das schon, bevor du dazugekommen bist. Nicht einfach nur abstoßend, nein, jeder Einzelne von uns hat seinen vorigen Meister umgebracht oder übel zugerichtet – beziehungsweise, im Falle von Khosro, seine Meisterin aufs Übelste beschimpft. Wir sind wahrhaftig ein verwegener Haufen!«
Manche der Dschinn, zum Beispiel Faquarl, kannte und verabscheute ich schon seit Jahren, andere waren mir neu. Alle hatten auf der ersten Ebene Menschengestalt angenommen, ihre Körper hatten mehr oder weniger die richtigen Proportionen. 19 Die meisten besaßen einen breiten Brustkasten und muskulöse Gliedmaßen, wenn auch nicht so wohlgeformt wie die meinen, der eine oder andere hatte sich für O-Beine und einen Schmerbauch entschieden. Alle waren in die einfachen, grob gewebten Wickelröcke gekleidet, wie sie männliche Sklaven üblicherweise trugen.
Im Näherkommen fiel mir jedoch auf, dass auch hier jeder Dschinn seine menschliche Erscheinungsform durch die eine oder andere dämonische Zutat ad absurdum führte. Bei manchen lugten Hörner aus dem Schopf, andere warteten mit Schwänzen, spitzen Ohren oder gespaltenen Hufen auf. Diese Aufmüpfigkeit war riskant, aber durchaus stilvoll. Ich beschloss, mich anzupassen, und ließ mir rasch zwei kleine gedrehte Widderhörner aus der Stirn wachsen. Faquarl hatte seinem Nubier kunstvoll spitz gefeilte Reißzähne verpasst. Dergestalt aufgehübscht, stellten wir uns in die Reihe.
Wir warteten. Ein schwüler Wind streifte die Hügelkuppe. Über dem Meer im Westen ballten sich Wolken.
Ich trat gähnend von einem Fuß auf den anderen. »Kommt er nun oder kommt er nicht? Mir ist langweilig, ich bin todmüde und könnte einen Kobold vertragen. Vorhin hab ich im Küchenhof ein paar gesehen, die bestimmt keiner vermisst, wenn wir’s nicht an die große Glocke hängen. Wenn wir einen Beutel oder so was hätten…«
Mein Nachbar stieß mich an. »Psst!«
»Stell dich nicht so an. Das tun wir doch alle.«
»Still!«, blaffte er. »Er ist hier.«
Ich verstummte schlagartig. Die sieben Dschinn neben mir nahmen Haltung an, und wir stierten himmelwärts.
Eine schwarz gekleidete Gestalt kam den Hügel herauf. Ihr Schatten glitt lang und dünn hinter ihr her.
Bartimäus
7
S ein Name 20 lautete Khaba, und was immer er sonst sein mochte, er war ganz gewiss ein Zauberer höchsten Ranges. Vermutlich stammte er vom Oberen Nil, der durch Klugheit aus der Masse herausragende Sohn irgendeines Bauern, der sich im schwarzen Nilschlamm abrackerte. Dann waren wohl die Priester des Ra auf ihn aufmerksam geworden (so war es jedenfalls seit Jahrhunderten die Regel) und hatten ihn in ihre Festung Karnak mitgenommen, wo er unter vielen anderen klugen Jungen in Rauch und Dunkelheit aufwuchs und in den Zwillingskünsten der Magie und der Machtanhäufung unterwiesen wurde. Über tausend Jahre lang hatten sich die Priester mit den Pharaonen die
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