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Bassus (German Edition)

Bassus (German Edition)

Titel: Bassus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Eisenmann
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tragen.
    Kaum waren sie im Gästehaus, knurrte Tonys Magen so laut, dass auch Bassus es hörte. Sie grinsten sich an und marschierten sofort Richtung Speisesaal. Harpalos bellte und lief ins Atrium. In den Speisesaal durfte er nicht.
    Kaum saßen sie, brachte ihnen ein atemloser Bediensteter der Rezeption eine Schriftrolle.
    „Post, verehrter Flavius Bassus.“
    Sie wussten, von wem. Niemand schrieb so regelmäßig wie Marcia und Severus.
    Bassus öffnete die Rolle und reichte Tony mit einem unergründlichen Blick das einzelne Papyrusblatt, das wie immer darin eingewickelt war und auf dem Tonys Name stand. Nicht der offizielle, Titus Flavius Bassus Tonianus, sondern Tony. Und wie immer begann der Brief mit den Worten: „Carus amicus ...“ Und dann folgten die Neuigkeiten aus dem Alltag. Flavia schilderte das Leben auf dem Gut, erzählte lustige Anekdoten. Zum Schluss ermahnte sie ihn, sich gut um Bassus zu kümmern, und versicherte ihm, dass sie jeden Tag für sie beide zu den Göttern betete.
    Tony sah auf. Auch Bassus hatte seinen Brief zu Ende gelesen.
    „Und?“, fragte er Tony. „Irgendetwas Neues?“
    „Nein. Wie immer.“
    Bisher hatte Bassus ihn nie nach seiner Beziehung zu Flavia gefragt, doch heute sah er ihn aufmerksam an.
    „Du wirkst nicht gerade glücklich. Am Anfang hast du dich über jeden Brief gefreut.“
    „Ich freue mich immer noch. Natürlich. Sehr.“
    „Ach ja?“
    „Klar.“
    „Aber?“
    Tony zuckte mit den Schultern. „Nichts aber.“
    Die Suppe wurde gebracht. Stumm begannen sie zu löffeln. Bassus war zuerst fertig und sah ihm zu. Plötzlich schaffte Tony schaffte es nicht mehr, seine Schüssel leer zu essen, und legte den Löffel hin. Er starrte auf die Tischplatte.
    „Sie mag dich sehr“, sagte Bassus.
    Tony sah ihn überrascht an. „Woher willst du das wissen?“
    Bassus lächelte. „Es ist offensichtlich.“
    „Wieso?“
    „Nun, sie ist dir in Severus’ Haus praktisch nie von der Seite gewichen.“
    „Sie interessiert sich eben für Heilkunst.“
    Wieder lächelte Bassus. „Sie wollte in deiner Nähe sein.“
    „Das glaube ich nicht.“
    „Hast du denn nie bemerkt, wie sie dich ansieht?“
    „Ich hatte eigentlich immer das Gefühl, dass sie mich insgeheim ausgelacht hat.“
    „Solange sie nicht weiß, was du für sie empfindest, möchte sie sich eben keine Blöße geben.“
    „Quatsch, sie weiß genau, dass sie mir gefällt.“
    „So wie du genau weißt, dass du ihr gefällst?“
    „Warum sagt sie es mir dann nicht, sondern schreibt stattdessen diesen blöden Scheiß, der mich nicht die Bohne interessiert?“
    „Ach Tony.“
     
    Der Springbrunnen plätscherte. Jetzt gegen Abend war es im Atrium ihrer Nobelherberge angenehm kühl. Mehrere Gäste saßen oder lagen herum und lasen oder unterhielten sich leise. Nach dem Essen hatten sie aus ihrem Zimmer ihre Schriftrollen geholt und es sich hier bequem gemacht. Tony saß auf einer Steinbank und hatte eine Abhandlung über Heilpflanzen auf seinen Knien, konnte sich jedoch einfach nicht darauf konzentrieren. Bassus lag auf einer Holzliege und schien völlig in seine Lektüre versunken. Noch war es hell genug zum Lesen. Aber lange würde es nicht mehr dauern, bis die Sonne unterging und das Atrium in Dunkelheit getaucht werden würde.
    Die Liege neben Bassus wurde frei. Tony verließ seine Bank  und ließ sich neben Bassus nieder. Die Schriftrolle legte er auf seinem Bauch.
    Er blickte hinauf in den Himmel. Und nach einer Weile war ihm, als würde er schweben. Er drehte den Kopf nach rechts und sah die Gischt des Springbrunnens. Als er ihn nach links drehte, sah er die Schriftrolle, die Bassus in seinen kräftigen Händen hielt. Tony wurde warm ums Herz. Er blickte wieder nach oben.
     
    Noch nie hatte er ein solches Gefühl erlebt: Alles war gut.
     
    Dann kam der Schmerz. Wie Schläge in die Magengrube. Eine Welle nach der anderen, und jede war größer und heftiger als die vorhergehende. Er sprang auf und lief ins Zimmer. Dort krümmte er sich zusammen.
    Er durfte nichts fühlen.
    Auch nichts Schönes. Gerade nichts Schönes. Denn es würde immer böse enden. Der nächste Schlag würde nicht lange auf sich warten lassen.
    Nach einer Weile näherten sich Schritte, und Bassus kam herein. Er setzte sich neben Tony und legte ihm den Arm um die Schultern.
    Tony wollte fliehen. Aber er blieb. Allmählich entspannte er sich.
    Eine ungeheure Last fiel von ihm ab.
     
    In der Nacht hatte er noch einmal die alte Vision:

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