Bassus (German Edition)
einem Geheimtipp werden. Jetzt gab es noch große Kontraste, hier pompöse Tempelanlagen, Gästehäuser und Bäder im römischen Stil und dort die einfachen Häuser der einheimischen Bevölkerung. Aber bald würden auch sie durch die stetig zunehmende Zahl von Kurgästen reich werden. Und das hieß, dass sie ihre einfachen Behausungen abrissen und durch größere Häuser im römischen Stil ersetzten.
Bassus traf wieder auf die Soldaten, die seit seiner Ankunft schweißüberströmt an einer neuen Straße bauten. Noch ein paar Tage, und sie würden fertig sein.
Er bog mit Harpalos in den Park ein. Hier kümmerte sich eine Schar von Sklaven den ganzen Tag um die Pflanzen und Teiche. Überall war das Plätschern von Springbrunnen und künstlich angelegten Bächen zu hören, dazu zwitscherten Vögel. Bassus setzte sich neben einer Statue auf eine steinerne Bank. Er hatte Zeit. Während seiner Behandlung verbrachte Tony seine Zeit zuerst bei Kallisto in der Praxis und studierte danach stundenlang in der Bibliothek des Grannustempels. Er schien sich zwar zu freuen, wenn Bassus ihn dort abholte, doch Bassus hatte jedes Mal auch das Gefühl, dass Tony sich losreißen musste von seiner spannenden Lektüre.
Er lehnte sich zurück und atmete tief durch. Das einzige, wofür sie selbst Geld ausgaben, waren Bücher. Und jetzt waren es nicht mehr nur seine eigenen Bücher, sondern auch die von Tony. Zum Glück teilten sie das Interesse an Philosophie und Geschichte und mussten diese Werke nur einmal kaufen, aber Tony sammelte auch Schriften über Heilkunst und beschäftigte sich mit den Druiden.
„Weißt du, was aus dem Druiden von damals geworden ist?“, hatte er Bassus gefragt.
„Ich hoffe, dass er überlebt hat.“
„Das hoffe ich auch. Und falls ja, meinst du, wir werden ihm je begegnen?“
Daran hatte Bassus noch nie gedacht. Aber der Gedanke gefiel ihm.
„Wer weiß? Ich würde ihn gerne wiedersehen.“
Bassus griff in seine Umhängetasche. Eines Tages hatte er dort das Medaillon gefunden. Für einen Moment hatte er geglaubt, dass es vielleicht versehentlich hineingerutscht war. Doch dann hatte er verstanden. Es war Tonys Botschaft an ihn, dass er den Wunsch aufgegeben hatte, in seine eigene Zeit zurückzukehren.
Tony redete ihn zwar immer noch mit „Bassus“ an, aber anderen gegenüber sprach er von ihm als „pater meus“. Das hatte er von Severus, Fabius Pudens und auch von Wackeron und Morvran erfahren. Ohne dass sie je darüber gesprochen hätten, war es also geschehen: Sie waren wirklich Vater und Sohn geworden.
Noch auf dem Gut hatte ihm Severus mit Tonys Erlaubnis seinen Brief an Trajanus zu lesen gegeben. Der Inhalt hatte Bassus erschüttert. Er fühlte sich seither privilegiert, dass dieser Junge, der so viel gelitten hatte in seinem Leben, zu ihm gehörte.
Doch war das auf Dauer das Beste für Tony?
Was konnte er ihm schon bieten? Bücher. Gute Gespräche. Ein Zuhause. War das genug? Und würde Tony wirklich vergessen können, dass der Tod seiner Schwester für immer ungesühnt bleiben würde? Würde sich nicht ein Teil seiner Seele deshalb immer nach der Zeit sehnen, aus der er ursprünglich stammte?
Bassus musste mit ihm über diese Dinge reden. Nicht heute. Aber irgendwann.
Tony spürte sofort, wenn Bassus sich näherte, denn der hatte wieder den festen Schritt des Soldaten. Trotzdem tat Tony jedes Mal so, als bemerkte er ihn nicht. Er wollte einfach, dass Bassus sein tägliches Abholritual beibehielt.
Sobald Bassus unmittelbar hinter ihm stand, sagte er immer leise „Tony“ und legte ihm die Hand auf die Schulter.
Er hatte sich inzwischen dermaßen an diese Geste gewöhnt, dass er nicht mehr darauf verzichten konnte. Warum er aber trotzdem jedes Mal irgendetwas zurückknurrte, so als müsse er sich schweren Herzens von seiner Lektüre losreißen, wusste er selbst nicht. Zum Glück schien Bassus das nicht weiter zu stören.
Wenn es nach Tony gegangen wäre, hätten sie ruhig für immer so weiter leben können. Aber nur noch wenige Tage, und sie würden nach langer Abwesenheit wieder in ihre Wohnung in der Sieldung Durnomagus zurückkehren. Und von dort würden sie wieder jeden Morgen zum Lager gehen.
Sie traten aus dem kühlen Gebäude und gingen zu ihrem Gästehaus. Für Tony war es immer noch ein ungewohnter Anblick, seinen Adoptivvater in einer langen Tunika und Toga statt in seiner Soldatenkleidung zu sehen. Nun, bald würde er wieder Hose und Hemd eines Reitersoldaten
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