Bassus (German Edition)
frei.“
Severus sah ihn überrascht an. Dann schüttelte er den Kopf. „Da irrst du dich aber.“
Wie bitte? „Aber du bist doch der pater familias. Alle müssen dir gehorchen.“
„Mein Leben ist wie das eines jeden Menschen völlig in den Händen der Götter.“
Mein Gott, waren diese Römer fromm.
„Das habe ich nicht gemeint.“
„Freiheit ist nur eine Illusion“, fuhr Severus fort. „Jeden Moment können uns die Götter Prüfungen schicken oder uns abberufen von dieser Welt.“
„Ja, klar. Aber du bist jedenfalls freier als ich.“
„Das scheint nur so. Wir müssen alle unseren Pflichten nachkommen, ob wir nun Befehle empfangen oder Befehle geben. Ich ebenso wie du.“
„Pflichten?“
„Ja, gegenüber der Familie, den Schutzbefohlenen, dem Imperium, den Göttern. Seine Pflichten zu erfüllen ist der Sinn des Lebens. Denn nur so funktioniert das Zusammenleben der Menschen. Und nur so wird die Ordnung des Kosmos bewahrt.“
Tony schnürte es den Brustkorb zu.
„Ich habe nichts gegen Pflichten. Aber ein Mensch hat auch Rechte.“
Severus sah ihn verständnislos an. „Was meinst du damit?“
„Ich habe zum Beispiel ein Recht darauf, Tätigkeiten nachzugehen, die meinen Neigungen und Fähigkeiten entsprechen.“
Severus’ Miene hellte sich auf. „Genau darum bemühe ich mich ja als der pater familias. Und du kannst nun einmal gut kämpfen.“
„Aber es genügt nicht, dass wir eine Fähigkeit beherrschen, sie muss uns auch Freude machen.“
Als er das verständnislose Gesicht von Severus sah, fügte er hinzu: „Wir müssen sie auch gerne tun.“
„Ich habe dich schon beim ersten Mal verstanden. Aber ich begreife deinen Einwand nicht. Wenn du etwas gut kannst, dann hast du doch automatisch Freude daran.“
Gutes Argument.
„Aber was, wenn wir Fähigkeiten nur gezwungenermaßen erworben haben?“
„Dann müssen wir das akzeptieren und uns damit aussöhnen.“
Tony musste es anders anpacken.
„Aber ich habe doch nicht nur diese eine Fähigkeit. Ich kann auch noch andere Dinge. Ich kümmere mich zum Beispiel gerne um Kranke. Überhaupt bin ich ein eher friedfertiger Mensch.“
Severus schnaubte und verdrehte die Augen.
„Du hilfst Menschen lieber, als dass du sie tötest. Marcia hat mir berichtet, was du ihr gesagt hast.“
„Aber so ist es nun einmal.“
„In keiner Institution kannst du den Menschen mehr helfen als in der Armee.“
„Das ist Unsinn. Der Sinn einer Armee ist es, Krieg zu führen.“ Er spürte, wie er lauter wurde.
Auch Severus wurde lauter. „Aber der Krieg ist doch nur ein Mittel. In Wirklichkeit geht es darum, den Menschen Sicherheit zu geben.“
„Und freie Völker zu unterjochen!“
„Wir bringen ihnen die Zivilisation!“
„Ich werde niemals Soldat werden!“
Das hatte er gebrüllt.
Danach war es totenstill.
Schließlich sagte Severus: „Es gehört zu meinen Pflichten als pater familias, dein Bestes zu wollen. Du wirst Soldat. Basta.“ Er stand auf. „Und bis es so weit ist, wirst du lernen, Befehlen zu gehorchen. Ich werde ab jetzt andere Seiten aufziehen.“
Nein! Tony stürzte zur Tür, riss sie auf und prallte mit Morvran zusammen. Er merkte es kaum. Blind vor Wut und Verzweiflung rannte er weiter.
Severus hielt Wort. Die Tage, an denen er auf dem Gut tun und lassen konnte, was er wollte, waren vorbei. Dauernd musste er hierhin oder dorthin laufen. Meist waren es Botengänge. Severus sagte ihm, was er von einem bestimmten Bewohner des Gutes erwartete, und Tony übermittelte es dem Betreffenden.
Wenn er noch drei oder vier Jahre so verbringen musste, würde er gerne in die römische Armee eintreten!
Nur noch einmal fand er die Zeit, Morvran im Krankenzimmer zu besuchen. Allen Patienten ging es inzwischen besser. Und es herrschte eine geradezu heitere Stimmung. Für einen Moment fiel alles von Tony ab. Wenn er sich in der Römerzeit irgendwo wohlfühlte, dann war es in diesem Krankenzimmer.
Morvran, der gerade eine Salbe mischte, begrüßte ihn freundlich. Mit Sorge stellte Tony fest, dass er und die anderen Soldaten wohl nicht mehr lange da sein würden.
„Wann kehrt ihr zurück zu eurer Ala?“, fragte er.
„Morgen“, antwortete Quintus Gabinius.
Tony spürte eine Welle von Trauer. „Das tut mir leid“, sagte er und fügte hastig hinzu: „Ich meine damit, dass ich euch vermissen werde.“
Sie lachten.
„Viel Zeit, uns zu vermissen, hast du ja jetzt nicht mehr, so wie Severus dich herumscheucht“,
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