Bassus (German Edition)
waren die Dinge, die sie schilderten, für ihn nicht wirklich brauchbar. Dass es laut war, dass es viele Menschen gab, viele hohe Häuser, das wusste er schon. Aber sicher gab es in der Colonia Agrippinensium auch Viertel, in denen es leere Wohnflächen gab und wo er fürs Erste unterkriechen konnte, Viertel, in denen Menschen lebten, die kein richtiges Zuhause hatten, weil sie kein Teil der Gesellschaft waren.
Jede Nacht, bevor er einschlief, stellte er sich vor, wie er genug Geld zusammenstehlen würde, um sich eine eigene Wohnung zu mieten. Vielleicht konnte er sogar eine kaufen. Dafür brauchte er jemanden, der erwachsen war und den er vorschicken konnte. Er würde diese Person natürlich gut bezahlen.
Er musste nur überleben, bis er erwachsen war oder zumindest so aussah. In drei bis vier Jahren hätte er es geschafft.
Am einfachsten wäre es, wenn er mit irgendetwas Handel trieb. Er würde zu einem gewissen Wohlstand gelangen und ein zurückgezogenes Leben führen. Es war keine berauschende Vorstellung, aber das Beste, das ihm unter den gegebenen Umständen einfiel.
Bis er wieder zurückkonnte.
Bis das Medaillon ihn endlich in sein altes Leben zurückbrachte und dieser Wahnsinn aufhörte.
Dann kam die Nacht, in der es geschehen sollte. Lange lauschte Tony. Als er sicher war, dass außer den Wächtern alle in ihren Betten lagen und schliefen, schlich er mit den Kleidungsstücken, die er gesammelt hatte, aus dem Zimmer. Auf dem Flur legte er sie auf den Boden. Im Prinzip war es möglich, zur Scheune zu gelangen, ohne ins Freie zu müssen. Tony lief im Dunklen mehrere Gänge entlang, betrat die Scheune und nahm den Korb von der Wand. Dann lief er in den Flur zurück und verstaute die Kleidung im Korb. Anschließend schlich er zur Vorratskammer. Den Proviant für sich steckte er in den Korb, die Leckereien für die Gänse und Hunde wickelte er in ein Stück Stoff, das er sich an den Gürtel band.
Jetzt wurde es heikler. Er schlich zum Arbeitszimmer von Severus und trat ein. Den Schlüssel für die Truhe holte er aus dem Versteck und schloss sie auf. Er nahm heraus, was er brauchte. Schade, dass er das Nachtfernglas zurücklassen musste. Aber es war einfach zu schwer und fiel zu sehr auf. Die Taschenlampe, den Laserpointer und das Taschenmesser steckte er in eine kleine Ledertasche, damit er sie im Notfall schnell zur Hand hatte.
In der Truhe lag auch ein kleiner Kasten voll Münzen. Doch obwohl er vorhatte, ab jetzt vom Stehlen zu leben, fiel es ihm schwer, damit bei Severus anzufangen. Es war nicht nett. Mehr als das, es war nicht in Ordnung.
Andererseits - Severus würde den Verlust verschmerzen. Der eigentliche Tresor der Villa Rustica lag unter der Klappe im Fußboden. Und auf ihr stand der tonnenschwere Schreibtisch. Im Kasten war nur Geld für den täglichen Gebrauch.
Er öffnete ihn. Wow! Das war viel mehr, als er gedacht hatte. Damit würde er wirklich sehr weit kommen! Trotzdem zögerte er und kämpfte mit seinem Gewissen. Am Ende nahm er etwa ein Drittel der Münzen. Damit sie nicht klimperten, steckte er sie zusammen mit etwas Wolle in die Ledertasche an seinem Gürtel.
Er setzte sich an den Schreibtisch. Sollte er einen Brief hinterlassen? Wenigstens für Flavia? Oder ein kleines Geschenk? Aber was? Ihm fiel nichts ein. Es war außerdem besser, wenn sie ihn für einen schlechten Menschen hielt. Das würde es für sie leichter machen.
Zurück in der Scheune, knotete er das Säckchen mit den Leckereien auf. Danach betrat er den Hof und warf sofort Futter für die Gänse auf den Boden. Leise schnatternd kamen sie an.
„Schschsch“, dazu machte er eine weit ausholende, besänftigende Armbewegung.
Die Gänse blieben tatsächlich relativ ruhig und wandten sich den Leckereien zu. Er ging weiter. Verdammt. Ferox und Harpalos waren nicht angekettet! Während Ferox eines der mitgebrachten Fleischstücke fraß, befestigte Tony seine Kette am Halsband. Aber Harpalos war so lebhaft und verspielt, dass er ihn einfach nicht zu fassen bekam. Sein Herumgetobe verärgerte einige der Gänse, die schon lauter wurden.
Mist. Verdammter Mist.
Er musste Harpalos mitnehmen. Nach einer Weile würde er sicher von allein wieder zum Gut zurückkehren.
Tony schlich geduckt über den Hof, immer außerhalb des Blickwinkels der Wächter. An der Stelle mit den losen Brettern zog er seine Sandalen aus und schlüpfte hinaus. Der schwarze Hund folgte ihm und lief genau wie er im kniehohen Wasser des Baches weiter.
Weitere Kostenlose Bücher