Bassus (German Edition)
packten und verschnürten ihn. Sie stülpten ihm einen Sack über den Kopf und trugen ihn fort. Er sank immer tiefer, hinein in grauenvolle Alpträume.
Allmählich ließ die Wirkung des Mittels nach, und Tony roch den furchtbaren Gestank.
Er wagte nicht, seine Augen zu öffnen. Denn er wusste, wo er war.
Er wusste auch, dass es eigentlich egal war, ob er seine Augen öffnete oder geschlossen hielt, denn es war stockdunkel. Die geschlossenen Lider erlaubten ihm jedoch noch einen letzten Funken von Illusion. Dass vielleicht alles ganz anders war. Dass seine Angst ihm nur einen Streich spielte. Aber seine anderen Sinne sagten ihm, dass alles echt war.
Er bewegte seine Hände. Dass er das konnte, ohne gehindert zu werden, verschaffte ihm jedoch keine Erleichterung. Zu sehr schmerzte sein Hals, um den ein schwerer Eisenring lag. Und er wusste, dass der Ring an einer Kette hing, die fest in der Wand verankert war.
Doch das Schlimmste … das Schlimmste … Tony würgte, er wollte es nicht zu Ende denken.
Der süßliche Gestank! Der Verwesungsgeruch. Der Körper, der neben ihm lag und durch dessen Adern kein Blut mehr floss - wahrscheinlich seit er ihm den Dolch gegeben hatte. Gestern oder vorgestern? Oder war es noch länger her? Wie lange war er betäubt gewesen? Mehrere Tage?
Tony tastete nach dem Medaillon.
Es war weg!
Außer dem Eisenring trug er nichts mehr um den Hals.
Er musste sich töten.
Der Dolch!
Vielleicht war er ja noch da. Sein Herz schlug schneller.
Vielleicht war auch das Medaillon noch da. Vielleicht lag es irgendwo am Boden.
Erst jetzt öffnete er die Augen.
Schwärzestes Schwarz.
Er stellte sich vor, wie die Zelle ausgesehen hatte, als er bei dem Mann gekniet hatte. Dann, nach einiger Überwindung, tastete er systematisch den mit Blut und Exkrementen bedeckten, schmierigen Boden ab.
Kein Messer. Kein Medaillon.
Doch er ertastete schließlich etwas anderes unter dem verfaulten Stroh. Seine Taschenlampe! Lange zögerte er. Was er zu sehen bekommen würde, war so grauenhaft, dass er es nicht aushalten würde. Doch seine Fantasie ließ sich nicht unterdrücken. Sie zeigte ihm das Bild auch so. Und wozu machte er sich überhaupt Gedanken? Die Batterie war schließlich leer.
Aber was, wenn sie sich inzwischen wieder erholt hatte?
Er knipste sie an. Sie funktionierte. Er richtete sie auf die Wände der Zelle. Dann auf den Körper neben sich. Der Mann hatte sich selbst die Kehle durchgeschnitten. An seinem Gesicht waren bereits deutlich die Verwesungsspuren zu sehen. Schnell ließ Tony den Lichtstrahl weiterwandern. Gerade als er die Ratte entdeckte, gab die Batterie endgültig auf.
Er sank zurück. Kurz dachte er daran, sich die Hände an seiner Tunika anzuwischen. Doch wozu?
Leichengift, kam ihm plötzlich in den Sinn.
Leichengift konnte tödliche Infektionen hervorrufen. Er würgte. Würde er sich überwinden können? Reichte es, wenn er den Mann berührte und sich danach einfach die Finger ableckte? Oder musste das Gift mit einer offenen Wunde in Berührung kommen? Nun, er hatte ja genug davon.
Stundenlang hatte Harpalos geduldig ausgeharrt. Seine Augen suchten nach Tony, seine Nase schnupperte nach dem einen vertrauten Geruch. Aber Tony kam nicht wieder.
Nur wenige Schritte entfernt war ein kleiner Brunnen. Dort hatte er getrunken. Inzwischen war er auch hungrig. Aber er durfte den Korb nicht alleinlassen. Leise jammerte er vor sich hin. Die Leute um ihn herum lachten. Er verstummte wieder. Resigniert legte er sich hin und legte das Kinn auf die Vorderpfoten. Es wurde dunkel.
Zuerst glaubte er, er hätte sich geirrt. Doch dann war er sicher: Den Geruch kannte er. Es war im Vorbeigehen gewesen, ein kurzer Hauch, doch vertraut. Er richtete sich auf und bellte, so laut er konnte. Der Geruch kehrte jedoch nicht zurück. Harpalos ließ den Korb stehen und rannte los.
Er fand den Träger des Geruchs in Begleitung eines Mädchens mit hochgesteckten braunen Zöpfen. Freudig bellend umkreiste er die beiden.
„Harpalos“, rief Donatus verwundert und sah sich um, „wo ist denn Tony?“
Harpalos lief ein Stück weg, wandte sich dann um und lief weiter. Nach dem zweiten Mal hatte Donatus es begriffen.
Mit den Worten „Der Hund gehört einem Freund, Sabina“ zog er das Mädchen hinter sich her.
Harpalos führte ihn zu den Latrinen, wo Tonys Korb immer noch stand. Einer der Latrinenwächter erzählte, wie lange der Hund hier schon ausharrte. Mitleidig kraulte Sabina Harpalos
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