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Bassus (German Edition)

Bassus (German Edition)

Titel: Bassus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Eisenmann
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wir uns überhaupt nicht nah. Wir sind höflich, ja freundlich zueinander, aber ansonsten halten wir Abstand. Ich habe keine Ahnung, was in Tony vorgeht. Ich weiß nicht, wie er seine Erfahrung mit Perpenna verkraftet hat, und ich weiß nicht, was er davon hält, mit mir und Micon eine Wohnung zu teilen.
    Am Feiertag hatten sie zusammen mit Donatus, Fabius Pudens und Maius ein Brettspiel gespielt. Plötzlich hatte Tony auf die Rückseite des Bretts in verschiedenen Farben ein Muster für ein Spiel aus seiner Zeit gemalt. Er nannte es „Mensch ärgere dich nicht.“ Es machte großen Spaß. Und als der sonst so korrekte Decurio immer schmutzigere Tricks einsetzte, um zu gewinnen, hatte auch Tony in das allgemeine Gelächter eingestimmt.
    Trotzdem entstand keine wirkliche Beziehung zwischen ihnen. Jetzt stand Tony auf und nahm die Schriftrolle wieder mit.
    „Gute Nacht“, sagte er und verschwand mit Harpalos in seinem Zimmer.
    Und so war es jeden Abend. Kaum waren sie vom Abendessen aufgestanden, half Tony noch beim Abräumen und verschwand in seinem Zimmer. Er lebte nur für die Medizin. Sonst gab es für ihn nichts.
    Bassus stand auf. Er würde noch eine Weile in die Taverne an der Ecke gehen und den Gesprächen lauschen. Er hasste es zwar, dort zu sitzen, aber Tavernen waren nun einmal ein Ort, an dem ein Explorator viele nützliche Informationen sammeln konnte.
    Später würde Donatus kommen, um ihn abzuholen. Sie würden erst gegen Morgen etwas Schlaf bekommen, wenn sie auf der anderen Seite des Rheins, in Germania Libera, bei einem germanischen Freund angelangt waren.
    Bassus wusste, dass er ein guter Explorator war. Die Menschen vertrauten ihm. Und das, obwohl sie an seiner Soldatenkleidung sahen, dass er der Feind war. Außerdem vermuteten die Germanen wegen seines Akzents, dass er Germanisch sehr viel schlechter beherrschte, als es tatsächlich der Fall war. In Wirklichkeit verstand er alles, auch die Feinheiten.
    Bassus streckte sich. Die vielen Jahre in der römischen Armee hatten tiefe Spuren in seiner Seele hinterlassen. Er war nicht gerne Soldat, doch hin und wieder – zum Beispiel wenn es dem Frieden diente – war er es mit Leib und Seele. 
     
    In eine Decke gewickelt saß Tony am Tisch und las im schwachen Schein der Öllampe in seiner Schriftrolle. Immer wieder wanderte sein Blick zu dem friedlich schlafenden Harpalos.
    Es war bitterkalt. Seit seiner Gefangenschaft bei Perpenna litt Tony an immer wiederkehrenden Schmerzen in den Muskeln und Gelenken. Bei dieser feuchten Kälte war es am schlimmsten. Er hätte wer weiß was für ein kleines elektrisches Heizgerät gegeben. Aber die Welt, in der es Strom und Heizungen gab, war so weit weg, dass sie ihm wie ein Traum vorkam.
    Nur im Bett war es warm. Micon legte abends einen heißen Stein hinein, an den man seine Füße drücken konnte. Und dann war da noch Harpalos, der wärmte. Natürlich hätte er auch draußen in der Wohnküche lesen können, bei Bassus und Micon. Doch Tony fühlte sich trotz der Kälte bedeutend wohler in seinem Zimmer.
    Sein Problem mit Micon war einfach: Obwohl Tony ihn mehrmals darum gebeten hatte, weigerte der sich, ihn bei seinem Namen nennen. Er redete ihn grundsätzlich nur mit „Herr“ an. Nach seiner Erfahrung mit Perpenna löste dies bei Tony jedes Mal Übelkeit aus.
    Seine Beziehung zu Bassus war komplizierter. Tony wusste selbst nicht so genau, worin sein Problem mit Bassus bestand. Nun, zum Einen war da natürlich die Tatsache, dass er jetzt „zu ihm gehörte“. Denn immerhin musste er da wohnen, wo auch Bassus wohnte. Und seit er das römische Bürgerrecht hatte, trug er sogar Bassus‘ Namen: Titus Flavius Bassus Tonianus.
    Das bedeutete doch eigentlich, dass Bassus sein neuer pater familias war? Auf der anderen Seite durfte er ihn weiterhin „Bassus“ nennen und musste ihn nicht mit „pater“ oder „Titus Flavius“ anreden. Gott sei Dank.
    Das war aber nur der äußere Aspekt. Es gab da noch eine tiefere Ebene. Er mochte Bassus. Aber Wackeron und Morvran mochte er noch mehr. Sie waren Ärzte und gebildete Männer. Bassus hingegen war ein einfacher Soldat. Er unterschied sich zwar von den meisten seiner Kameraden, die selbst in ihrer Freizeit rau miteinander umgingen und einen etwas eigenartigen Humor hatten, denn Bassus war meistens ruhig und freundlich. Aber hin und wieder konnte er auch anders. Dann strahlte er eine unerbittliche Autorität aus. Zuletzt vorgestern auf dem Marktplatz der Siedlung

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