Bassus (German Edition)
keiner.“
„Möchtest du mich begleiten und ihn aussuchen?“
Tony verkrampfte sich. „Auf einem Sklavenmarkt?“, fragte er leise.
„Natürlich, wo sonst.“
Tony schüttelte zuerst langsam, dann immer heftiger den Kopf. „Nein. Das würde ich nicht ertragen.“
„Gut. Dann werde ich es allein tun.“
Er wollte gerade gehen, als ihm auffiel, dass Tony trotz der Wärme im Zimmer immer heftiger zitterte. Er legte ihm eine Decke um die Schultern und war erleichtert, als Tony sich sofort darin einwickelte.
Bassus ahnte: Tony war ein Kind, ein verlorenes, schutzbedürftiges Kind. Und vielleicht war er das schon vorher gewesen, nur hatte er es nicht bemerkt, weil Tony sich immer solche Mühe gegeben hatte, es zu verbergen.
Gerade als er sich fragte, wie Tony wohl reagieren würde, wenn er ihn einfach in seine Arme nähme, sprang Harpalos auf das Bett, und Tony schmiegte sich an ihn.
Zwei Monate später packte Bassus abends seine Sachen für einen mehrtägigen Kundschaftergang. Der Sklave Micon, ein stiller, trauriger Mann aus einer vorderasiatischen Provinz, der für sie putzte, einkaufte und ihre Kleider und Schuhe in Ordnung hielt, bereitete gerade das Abendessen vor. Sie hatten mit einem Vorhang einen Bereich für ihn abgetrennt, in dem sich sein Bett und seine wenigen Besitztümer befanden.
„Es ist angerichtet, Herr“, sagte Micon jetzt.
„Essen!“, rief Bassus laut zu Tonys Zimmertür hin.
Gleich würde er kommen. Denn immer noch war er ein Muster an Gehorsam. Mit einer Schriftrolle in der Hand eilte Tony tatsächlich sofort aus seinem Zimmer. Er hielt sie hoch.
„Ich glaube, hier ist medizinisches Wissen aufgeschrieben, das später wieder für Jahrhunderte verloren gehen wird.“
Den Göttern sei Dank! Tony war bei Wackeron und Morvran mit Feuereifer bei der Sache.
„Worum geht es?“
„Um Trepanation.“
„Also ich würde keinem Arzt erlauben, meinen Schädel aufzubohren. Die meisten Menschen sterben daran.“
„Ja, schon. Aber noch interessanter ist, dass einige es auch überleben und es ihnen danach besser geht.“
„Behaupten die Ärzte“, konnte Bassus sich nicht verkneifen.
Tony setzte sich auf seinen Stammplatz auf der Bank.
Bassus streckte seine Hand aus. „Gib mir die Schriftrolle lieber. Ich glaube nicht, dass Wackeron und Morvran sich über Soßenflecke freuen.“
Tony reichte sie ihm. Zumindest äußerlich machte er inzwischen einen gesunden Eindruck. Und auch das Garum verteilte er wieder freigiebig über allen Speisen.
„Das schmeckt toll, Micon“, sagte er nach einer Weile mit vollem Mund.
Der Sklave, der am Tisch mitaß, lächelte. Er sagte zwar wenig, sah aber alles und reagierte sofort. Jeden Tag freute Bassus sich aufs Neue darüber, dass er eine so gute Wahl getroffen hatte.
Micons Geschichte war schrecklich und typisch. Vor zwei Jahren war sein Land von den Römern besetzt und er von seiner Frau und seinen drei Kindern getrennt worden. Jedes Mitglied seiner Familie war in einen anderen Teil des Imperiums verkauft worden. Es gab keine Hoffnung, dass er sie jemals wiedersehen würde.
Tony blickte sich auf einmal suchend um und stand auf. Sein Teller war noch halb voll. „Harpalos ist nicht da.“
Das stimmte. Der Hund war zum Abendessen sonst immer da.
„Dann ist er eben heute länger unterwegs.“
„Und wenn ihm etwas passiert ist?“
„Was soll ihm schon passieren? Du kennst doch Harpalos.“
Eigentlich sollte er Tony jetzt auffordern, zuerst zu Ende zu essen und dann nach dem Hund zu sehen. Doch das wäre grausam gewesen. Der Hund, der immer noch jede Nacht bei Tony schlief, bedeutete ihm einfach zu viel. Tagsüber war Harpalos immer im Lager, wo einer der Reiter, der sich mit Hunden auskannte, seine Talente erkannt hatte und ihn trainierte. Danach ruhte er sich bei Teres im Stall aus und trottete schließlich eine Weile durch die Siedlung, wo ihn inzwischen jeder kannte. Gegen Abend kam er zu Micon nach Hause und war daher meistens schon da, wenn Bassus und Tony aus dem Lager kamen.
Gerade als er Tony erlauben wollte, nach Harpalos zu sehen, hörten sie, wie er vor der Tür bellte. Tony ließ ihn herein. Harpalos sprang an ihm hoch, als hätte er ihn seit Wochen nicht gesehen. Tony hob den riesigen Hund auf seine Arme und schwenkte ihn im Kreis.
Wenn jetzt jemand hereinkäme, dachte Bassus, würde er denken, dass wir uns alle sehr nahe stehen, dass wir eine richtige Familie sind, wenn auch ohne eine Mutter. Doch in Wirklichkeit sind
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