Bassus (German Edition)
rannte. Als könne er so den Schmerz, den Donatus’ Worte in ihm ausgelöst hatten, wieder zum Schweigen bringen. Soldaten blickten ihm verwundert nach. Allein sein! Er rannte an verdutzten Wachen vorbei aus dem Lager und danach immer weiter in die verschneite Umgebung. Als er nicht mehr konnte, blieb er keuchend stehen. Ärgerlich wischte er sich die Augen. Diese verdammte Kälte ließ sie tränen.
Er stand vor einer der umzäunten Pferdeweiden, auf denen sommers wie winters Tiere standen. Packpferde, Ersatzpferde und Pferde, die noch ausgebildet und abgehärtet wurden. Ein Tier fiel ihm auf, das mit hängendem Kopf abseits stand.
Das gab es doch nicht! Was machte Teres hier? Warum war er nicht in seiner Box im Stall?
Er kletterte über den Bretterzaun und rief: „Teres!“
Das Tier trottete auf ihn zu.
„Wer hat dich hierher gebracht? Ist dir denn nicht kalt?“
Teres sah ihn an, als würde er jedes Wort verstehen.
Tony streichelte seine Nase und erklärte: „Bassus lebt. Die Ala wird ihn finden. Sie geben nicht auf. Erst vorgestern ist wieder ein großer Suchtrupp ausgerückt.“
Zurück im Lager lief er direkt zu den Ställen der Turma von Fabius Pudens. Er wollte einen der Calones zusammenstauchen. Aber die hielten sich anscheinend gerade woanders auf. Dafür fand er in Teres’ Box ein neues Pferd vor. Und an der Wand hingen fremde Sachen.
Wo war Bassus’ Sattel? Und wo waren das Zaumzeug und die Decken von Teres?
Er entdeckte den Sattel auf einem zugeschnürten Bündel, das jemand lieblos auf den Boden geworfen hatte, und nahm die Sachen mit.
Im Valetudinarium wandte er sich aufgeregt an Wackeron: „Einer der Calones muss einen Fehler gemacht haben. Teres bräuchte doch gerade jetzt seine vertraute Umgebung.“
Er spürte, wie seine Kehle sich zusammenschnürte, während er sprach.
Wackeron legte ihm die Hand auf die Schulter. „Mach dir keine Sorgen wegen Teres“, sagte er mitfühlend, „Die Kälte macht ihm nichts aus. Er ist das gewohnt.“
„Ich möchte, dass er wieder in den Stall kommt.“
„Das ist sicher kein Problem. Ich spreche heute Abend mit Pudens.“
Den Rest des Tages assistierte Tony ihm. Die Konzentration auf die Arbeit und die Erkenntnis, dass er dabei immer besser wurde, sorgten dafür, dass er sich allmählich wieder beruhigte. Nur als später Fabius Pudens kam und mit Wackeron für eine Weile verschwand, machte er sich erneut Sorgen. Aber Wackeron kehrte freundlich wie immer zurück und wandte sich sofort dem nächsten Patienten zu.
Nach dem Abendessen half Micon Tony wieder, den Tisch zur Seite zu schieben. Danach setzte er sich auf die Bank und sah ihm wie jeden Abend fasziniert zu.
„Komm schon, lass mich dir wenigstens einige Grundtechniken beibringen.“
Micon winkte ab. „Wozu. Ich dürfte diese Kampftechniken niemals anwenden. Ein Sklave, der sich zur Wehr setzt, kommt entweder auf die Galeeren oder in die Bergwerke.“
„Würdest du dich denn nicht allein dadurch besser fühlen, dass du wüsstest, im Notfall könntest du es?“
„Ganz im Gegenteil. Ich würde immer in der Furcht leben, dass ich eines Tages ausrasten könnte und diese Techniken dann auch anwende. Lass mich einfach nur zusehen.“
Es war erstaunlich. Obwohl Micon noch nie mit asiatischen Kampfsportarten in Berührung gekommen war, begriff er sehr schnell die Techniken. Er sah sofort, ob es Tony gelungen war, seinen imaginären Gegner auszuschalten - und falls nicht, woran es gehapert hatte.
In einem unglaublichen Tempo fand Tony daher wieder zu seiner alten Form zurück. Wozu das gut sein sollte, fragte er sich nicht. Die stundenlangen Übungen halfen ihm jedenfalls, die Abende zu überstehen. Denn sich ruhig hinzusetzen und Schriftrollen zu lesen, dazu war er nicht mehr in der Lage. Seine Gedanken schweiften sofort zu Bassus und schnürten ihm die Luft ab.
Im Valetudinarium fragte er Wackeron am nächsten Morgen als Erstes nach Teres.
„Fabius Pudens kümmert sich darum.“
Tony nahm an, dass Teres nun wieder in seine Box kam. In der Mittagspause ging er sofort zu den Ställen. In Teres’ Box stand jedoch noch immer das andere Pferd. Tony vermutete, dass Teres einen anderen Platz zugewiesen bekommen hatte; deswegen sprach er einen Calo an: „Wo ist Teres, das Pferd von Titus Flavius Bassus?“
„Auf der Weide.“
„Immer noch? Wann kümmert sich jemand darum, dass es wieder in den Stall kommt?“
Der Calo sah ihn verwundert an. „Teres bleibt draußen, bis
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