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Bassus (German Edition)

Bassus (German Edition)

Titel: Bassus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Eisenmann
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abwehrend die Hände. „Du hast keinen Herrn mehr. Du bist frei. Ich heiße Tony.“
    „Gut … Tony. Hast du Hunger?“
    „Und wie.“
    Micon schöpfte ihm eine große Portion Eintopf auf den Teller. Tony schlang das Essen hinunter, und Micon sah ihm zu.
    Als er später mit Harpalos auf den Füßen einschlief, hatte er zum ersten Mal den Traum, der ihn von da an immer wieder heimsuchen sollte:
    Er ritt auf Teres durch eine unendliche Eiswüste. Weit entfernt sah er einen Mann umherirren und erkannte, dass es Bassus war. Er wollte zu ihm galoppieren. Doch der Schnee war so tief, dass Teres nicht vom Fleck kam. Tony schrie: „Bassus! Bassus!“ Aber die Weite verschluckte seine Stimme. Er schrie und schrie, bis seine Stimme brach. Aber Bassus entfernte sich immer weiter von ihm. Schließlich war er nur noch als Punkt zu sehen. Dann gar nicht mehr.
    Schweißgebadet wachte Tony auf.
    Er nahm eine Öllampe und schlich hinaus. Micon schlief tief und fest. Er schlich weiter und betrat zum ersten Mal Bassus‘ Zimmer.
    Mit offenem Mund blieb er stehen.
    Er hatte Waffen, Helme und Schilde erwartet, doch dies war nicht das Zimmer eines Soldaten. Es war die Stube eines Gelehrten. Überall türmten sich Schriftrollen. Tony trat an ein Regal neben der Tür. Ehrfürchtig nahm er einige der Rollen in die Hand. Manche waren in lateinischer, andere in griechischer Sprache verfasst. Am meisten schien sein Adoptivvater sich für Philosophie interessiert zu haben, aber auch für Physik, Mathematik und Astronomie. Seine Lieblingsautoren waren anscheinend Epikur und Pythagoras.
    Tony untersuchte das nächste Regal. Da ging es vor allem um Geschichte. Er wandte sich dem Schreibtisch zu. Hier lagen fast nur Werke von Dichtern. Er entdeckte sogar lose Pergamentblätter mit Versen darauf, die aussahen, als hätte der Dichter sie erst gestern verfasst.
    Tony zögerte. Doch dann setzte er sich und las. Die Versmaße hatte er in der Schule gelernt. Unwillkürlich schlug er beim Lesen mit der Hand den Takt dazu: Tamtata, tamtata, tamtatata tamta tamtata. Der Inhalt der Gedichte ließ ihn nach einer Weile jedoch aufhören damit.
    Bassus schrieb über einen Soldaten, der nie Soldat sein wollte. Über die Grausamkeiten des Krieges, der den Gesetzen der Natur widersprach. Über einen Sohn, der seinen geliebten Vater Mucala nie wieder sah.
    Dann fand Tony Liebesgedichte an Orbiana. Nie hätte er Bassus eine solche Zärtlichkeit zugetraut. Er ertrug es nicht, sie weiter zu lesen.
    Schließlich griff er nach einem Papyrusblatt, das etwas abseits lag. Und ihm stockte der Atem.
    „Warum, ihr Götter, gebt ihr mir einen Sohn, der gar nicht Sohn sein will?“
    Und weiter fragte Bassus:
    „Vielleicht, wenn ich statt Vater Freund ihm bin, doch was heißt Freund in einem solchen Fall?“
    Lange sah Tony auf die Zeilen. Dann rührte er die Tinte an. Er tauchte Bassus’ Feder hinein und schrieb weiter:
    „Es heißt, was du getan die ganze Zeit, weshalb er dich vermisst und um dich weint.“
     
    Am nächsten Tag ging Tony wieder zum Dienst. Kaum hatte er das Valetudinarium betreten, teilte Morvran ihm mit, dass Donatus ihn sprechen wollte.
    Tony betrat das Krankenzimmer. Donatus war endlich auf dem Weg der Besserung. Er winkte ihn zu sich her.
    „Du weißt es jetzt also“, sagte er.
    „Ja. Aber ich wollte, ich hätte es früher gewusst.“
    „Er befürchtete, dass du den Gedanken unangenehm finden könntest.“
    Tony schwieg. Natürlich hatte Bassus recht gehabt, ihm zu verschweigen, dass er sein Adoptivvater war. Und trotzdem - jetzt wäre er sehr gerne sein Sohn, wenn ihn das nur wieder zurückbringen würde!
    Während der Arbeit gaben alle sich große Mühe, freundlich zu ihm zu sein und ihm damit zu zeigen, dass er auch ohne Bassus nicht allein war auf der Welt. Aber er seufzte innerlich. Wenn er später ins Lager zog, würde er leider keine eigene Wohnung bekommen. Das stand ihm erst in einigen Jahren zu, wenn er ein richtiger Medicus war. Wie sollte er es bis dahin nur aushalten? Er konnte sich nicht vorstellen, so lange mit anderen Soldaten in einem engen Contubernium zu hausen. Selbst wenn einer dieser Soldaten Donatus war.
    Hoffentlich konnte er noch recht lange mit Micon in der Wohnung bleiben.
    Am Abend holte Tony Teres von der Weide und nahm ihn mit nach Hause. Maius war sofort damit einverstanden gewesen, ihn in seinem Stall unterzubringen.
    Später setzte er sich in Bassus’ Zimmer und las in seinen Schriftrollen. Die große hölzerne

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