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Bastard

Bastard

Titel: Bastard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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kommt. Was wir hier vor uns haben, das verfärbte und harte Gewebe, erinnert eher an Gefrierbrand«, meine ich, während ich den Abstand von der Wunde am Rücken des Mannes bis zum Kopf vermesse. »Vierundsechzig Zentimeter. Sechs Zentimeter entfernt von der Mitte der Wirbelsäule. Richtung aufwärts und nach vorn, mit erheblichen Emphysemen subkutan und im Gewebe entlang des Wundkanals. Durchdringt die Diagonale an der zwölften Rippe links hinten sowie den paraspinalen Muskel, das perirenale Fett, die linke Nebenniere, linke Niere, das Zwerchfell, den linken Lungenflügel und endet im Herzen.«

    »Wie lang muss eine Klinge sein, um solche Schäden anzurichten? «
    »Mindestens dreizehn Zentimeter.«
    Sie schließt die Autopsiesäge an, und wir drehen den Toten wieder auf den Rücken. Nachdem ich ihm eine Kopfstütze in den Nacken geschoben habe, schneide ich die Kopfhaut von einem Ohr zum anderen ein, und zwar entlang des Haaransatzes, damit man später die Nähte nicht sieht. Der Schädel ist weiß wie eine Eierschale, als ich die Kopfhaut zurückschlage und das Gesicht wie eine Socke nach unten ziehe. Es sieht traurig aus, denn seine Züge sacken in sich zusammen, als weinte er.

15
    Erst als ich meine Bürotür öffne und mich ein klarer blauer Himmel jenseits der hohen Fenster begrüßt, wird mir klar, dass die Sonne aufgegangen und die Kaltfront weitergezogen ist.
    Ich blicke sieben Stockwerke nach unten. Nur wenige Autos kriechen über die weiß vereiste und von Spurrillen durchzogene Straße. Aus der entgegengesetzten Richtung nähert sich ein Schneepflug. Die gelbe Schaufel erhoben wie die Schere einer Krabbe, tuckert er dahin und hält Ausschau nach der richtigen Stelle. Schließlich senkt er mit einem Scheppern, das ich hier oben kaum hören kann, die Schaufel und beginnt, den Schnee von der Straße zu räumen.
    Das Ufer ist weiß. Der Charles River hat die Farbe alter blauer Glasflaschen und kräuselt sich in der Strömung. Dahinter fängt sich das Morgenlicht in der Skyline von Boston. Der John Hancock Tower erhebt sich über alle anderen Wolkenkratzer, so beherrschend und massiv wie eine einsame Säule, die inmitten der Ruinen eines alten Tempels stehengeblieben ist. Ich denke an Kaffee, ein kurzer Anflug von Appetit, als ich ins Bad gehe und mir die Kaffeemaschine auf der Theke neben dem Waschbecken und die Kartons mit Kaffeekapseln ansehe, unter denen sich auch welche mit Haselnussgeschmack befinden.
    Für anregende Mittel ist es inzwischen bei mir zu spät. Deshalb befürchte ich, dass der Kaffee nur in meinem Magen wirken würde, denn er ist leer und schmerzt. Einen Moment lang spüre ich Brechreiz, dann Hunger und schließlich gar nichts mehr. Nur noch eine vom Schlafmangel ausgelöste Benommenheit und die beharrliche Ankündigung von Kopfschmerzen,
die in meiner Erinnerung zu existieren scheinen. Mir brennen die Augen, und meine Gedanken bewegen sich schwerfällig. Dennoch schlagen sie wie schwere See gegen die immer selben unnachgiebigen Fragen und Aufgaben, die abgearbeitet werden wollen. Wenn man mir die Wahl lässt, werde ich auf niemanden warten. Ich kann es nicht. Ich muss es angehen. Nötigenfalls werde ich Grenzen überschreiten. Und warum auch nicht? Schließlich werden die von mir gesetzten Grenzen auch rücksichtslos von anderen niedergetrampelt. Deshalb werde ich die Dinge, mit denen ich mich auskenne, selbst in die Hand nehmen. Ich bin allein, und zwar noch mehr als früher, weil ich mich verändert habe. Dover hat mich verändert. Also werde ich tun, was nötig ist, auch wenn meine Mitmenschen vielleicht nicht darüber erfreut sein werden.
    Inzwischen ist es halb acht. Ich war so lange im Autopsiesaal, weil Anne und ich uns auch noch mit anderen Fällen befasst haben, als wir mit dem Mann aus Norton’s Woods fertig waren. In der Frage, wie er heißt, sind wir noch keinen Schritt weitergekommen. Vielleicht ist es inzwischen ja bekannt, ohne dass man es mir gesagt hat. Ich weiß intime Einzelheiten über ihn, die mich eigentlich nichts angehen, doch das Wichtigste fehlt: wer er ist, wer er war, was er werden wollte, seine Träume, seine Vorlieben und seine Abneigungen. Ich setze mich an meinen Schreibtisch, gehe die Notizen durch, die Anne für mich gemacht hat, und ergänze sie. Schließlich will ich nicht vergessen, dass der Mann kurz vor seinem Tod etwas mit Mohn und gelbem Käse gegessen hat. Auch nicht, dass die gesamte Blutmenge in der linken Brustkorbhälfte

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