Bastard
hätte ich nie getan. Nicht meine Abteilung.«
»Gut. Ich erledige das, wenn wir so weit sind, ihn umzudrehen«, beschließe ich. »Dann wollen wir mal die Organe herausholen, damit ich die offenen Stellen des Wundkanals mit Löschpapier abtupfen kann. Ich verwende die MRI-Aufnahme als Vorlage und nehme so viele Metallteilchen auf wie möglich. Hoffentlich erwischen wir welche, obwohl wir sie nicht sehen können. Wir wissen zwar, dass es Metall ist, die Frage ist nur, was für eines und woher es stammt.«
Aus einem Hängeschrank aus Stahl mit Glastüren nehme
ich eine Schachtel mit Löschpapier, während Anne die Organe en bloc aus der Leiche holt und sie vorsichtig auf das Sezierbrett legt.
»Ich kann Ihnen gar nicht sagen, welche Probleme wir inzwischen mit Leuten haben, die Metallteile im Körper mit sich herumtragen«, stellt sie fest und sammelt dabei Organfragmente aus der Brusthöhle ein. Inzwischen liegt sie offen und leer vor uns wie eine Porzellantasse. Die Rippen schimmern matt durch das feuchtrote Gewebe. »Einschließlich alter Kugeln von der umweltschädlichen Art. Wenn das Krankenhaus in Anzeigen nach Freiwilligen sucht, melden sich ganz normale Menschen. Und dann kreuzen diese Durchschnittsbürger bei uns auf und haben keine besonderen Angaben zu früheren Verletzungen zu machen. Die finden es offenbar ganz normal, mit einer alten Kugel rumzulaufen.«
Sie legt Stücke der linken Niere, des linken Lungenflügels und des Herzens an die Stellen im Organblock, wo sie anatomisch hingehören, so als setzte sie sorgsam ein Puzzlespiel zusammen.
»Das passiert häufiger, als Sie glauben«, fährt sie fort. »Gut, nicht so oft, wie jemand in Ihrem Beruf meinen würde, weil wir so etwas im Autopsiesaal ständig sehen. Und dann kriegt man unweigerlich den alten Spruch zu hören, dass Kugeln doch aus Blei bestehen, das nicht magnetisch ist, weshalb man den Betreffenden ruhig ins MRI stecken kann. Normalerweise kommt er von einem der Psychiater, die es entweder nicht besser wissen oder es sich einfach nicht merken können. Und schon wieder daneben. Blei, Eisen, Nickel, Kobalt – alle Kugeln und auch Schrotkörner sind ferromagnetisch. Mir ist es egal, ob es sich um angeblich grüne Munition handelt. Im Magnetfeld dreht sie sich trotzdem. Das kann zum Problem werden, wenn sich das Fragment in der Nähe eines Blutgefäßes oder Organs befindet. Oder, Gott bewahre, im Gehirn,
weil der Arme vor Ewigkeiten einen Kopfschuss abgekriegt hat. Weder Paxil noch Neurontin wirken gegen die psychischen Störungen, die entstehen, wenn sich eine alte Kugel an der falschen Stelle einnistet.«
Sie reinigt ein Stück Niere unter fließendem Wasser und legt es aufs Sezierbrett.
»Wir müssen nachmessen, wie viel Blut im Peritoneum ist.« Ich betrachte das Loch im Zwerchfell, das ich schon vor Stunden bemerkt habe, als ich den Wundkanal in der CT-Aufnahme sah. »Ich tippe auf mindestens dreihundert Milliliter, eingetreten durch das durchtrennte Zwerchfell, und noch einmal fünfzig Milliliter im Perikardium. Das Ausmaß der Blutungen wäre eigentlich ein Hinweis darauf, wie viel Zeit bis zum Tod vergangen ist. Aber bei diesen schweren Verletzungen, die von einer Explosion stammen könnten, hat er sicher nur noch so lange gelebt, bis Herz und Atmung ausgesetzt haben. Wenn wir den Begriff sofort tot verwenden wollen, würde er in diesem Fall sogar zutreffen.«
»Das ist aber ungewöhnlich.« Anne reicht mir ein winziges Stück Niere. Es ist hart und braun, mit beigen Verfärbungen und verschrumpelten Rändern. »Was soll denn das sein? Es sieht beinahe aus wie präpariert oder gekocht.«
Es gibt noch mehr davon. Als ich eine Lichtquelle heranziehe und den Organblock betrachte, entdecke ich harte, trockene Fragmente des unteren linken Lungenflügels und der linken Herzkammer. Mit einem Stahlbecher schöpfe ich Blut und Blutgerinnsel aus dem Mediastinum, dem mittleren Teil der Brusthöhle, wobei ich auf weitere Fragmente und winzige, harte, unregelmäßige Blutklümpchen stoße. Bei einer gründlichen Musterung der beschädigten linken Niere bemerke ich perirenale Blutungen und ein interstitielles Emphysem sowie weitere Beispiele für merkwürdige Veränderungen des Gewebes im Umfeld des Wundkanals, das am
stärksten von der Explosion betroffen war. Aber was für einer Explosion?
»Mich erinnert das an gefrorenes oder sogar gefriergetrocknetes Gewebe«, stelle ich fest, während ich Löschpapierbogen mit Abkürzungen für die
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