Bastard
möglichen rechtlichen Revers unterschreiben, in denen er einwilligte, nicht über Otwahl zu sprechen. Nicht einmal darüber, was der Name bedeutet. Können Sie sich das vorstellen? Nicht einmal über etwas Unwichtiges wie den Namen. Aber das wundert mich nicht! Wenn man sich anschaut, was diese Verbrecher im Schilde führen. Millionenschwere Geheimaufträge von der Regierung, da geht es um richtig viel Geld. Grenzenlose Habgier. Ist es da überraschend, dass Gegenstände verschwinden und Menschen sich für jemand anders ausgeben und ihm die Identität stehlen?«
Ich habe keine Ahnung, was Otwahl bedeutet, und bis jetzt immer angenommen, dass es sich um den Namen des Firmengründers handelt. Soundso Otwahl. Ich sehe Benton an, aber der starrt ins Leere und hört Mrs. Donahue zu.
»… Kein Wort über das, was in dieser Firma vorgeht. Und all seine Arbeitsergebnisse gehören dem Unternehmen und dürfen das Haus nicht verlassen.« Sie spricht schnell. Ihre Stimme klingt nicht länger, als käme sie aus dem Zwerchfell, sondern kehlig und gepresst. »Ich habe eine Todesangst. Wer sind diese Leute, und was haben sie mit meinem Sohn gemacht? «
»Was bringt Sie auf den Gedanken, dass sie etwas mit Johnny gemacht haben könnten?, frage ich sie, während Benton in aller Ruhe etwas auf die Telefonnotiz schreibt. Sein Mund ist zu einer schmalen Linie zusammengepresst, sein typischer Gesichtsausdruck, wenn er in dieser Stimmung ist.
»Dass es kein Zufall sein kann«, entgegnet sie. Ihre Stimme erinnert mich an die kursiven Schrifttypen ihrer alten Olivetti. Verblassende Eleganz, die immer weniger scharf umrissen, immer konturloser wird. »Erst ging es ihm gut und dann plötzlich nicht mehr. Jetzt sitzt er in einer geschlossenen psychiatrischen Anstalt und hat ein Verbrechen gestanden, das er nicht begangen hat. Und zu allem Überfluss auch noch das hier«, fügt sie heiser hinzu und räuspert sich. »Ein Brief auf meinem Briefpapier oder einem, das wie meines aussieht. Natürlich ist der Brief nicht von mir, und ich habe auch keine Ahnung, wer ihn Ihnen übergeben haben könnte. Außerdem ist meine Schreibmaschine weg …«
Benton schiebt mir den Zettel zu, und ich lese in seiner klaren Handschrift:
Das wissen wir.
Stirnrunzelnd blicke ich ihn an. Ich verstehe kein Wort.
»… Warum will man ihm nur ein Verbrechen unterschieben, obwohl er unschuldig ist. Und wie hat man ihm bloß eingeredet, er hätte das arme Kind ermordet?«, spricht Mrs. Donahue weiter. »Drogen. Etwas anderes fällt mir dazu nicht ein. Vielleicht hat ja einer dieser Leute den kleinen Jungen auf dem Gewissen und braucht nun einen Sündenbock. Und da kam ihm mein armer, leichtgläubiger Johnny, dem das Gespür für Situationen fehlt, gerade recht. Ein besseres Opfer als einen Jugendlichen mit Asperger hätten die doch gar nicht finden können …«
Ich starre auf Bentons Nachricht. Das wissen wir. So als würde sich mir erschließen, was er und die anderen, die großen Unbekannten, die er »wir« nennt, wissen, wenn ich den Satz nur oft genug lese. Während ich dasitze, Mrs. Donahue aufmerksam lausche, zu ergründen versuche, was sie mir wirklich mitteilen will, und ihr gleichzeitig diskret Informationen entlocke, habe ich den Eindruck, dass Benton
gar nicht richtig zuhört. Er wirkt gelangweilt und, anders als sonst, nicht mit allen Sinnen bei der Sache. Außerdem spüre ich seine Botschaft, dass ich das Telefonat beenden und mit ihm losfahren soll. So, als ginge es darum, einen Schlussstrich unter eine Sache zu ziehen, die bereits beendet ist, die letzten losen Fäden zu verknüpfen und aufzuräumen. So hat er sich früher verhalten, wenn Ermittlungen, die ihn monate- oder gar jahrelang belastet hatten, endlich abgeschlossen oder eingestellt wurden oder wenn die Geschworenen zu einem Urteil gelangt waren. Dann war plötzlich alles vorbei, und Benton blieb aufgekratzt, aber auch ausgelaugt und niedergeschlagen zurück.
»Wann sind Ihnen denn die ersten Veränderungen an Ihrem Sohn aufgefallen?« Ich werde nicht lockerlassen, ganz gleich, was Benton weiß oder wie müde er ist.
»Juli, August. Im September war es dann nicht mehr zu übersehen. Sein Praktikum bei Otwahl hat er im Mai angefangen. «
»Mark Bishop wurde am 30. Januar getötet.« Direkter wage ich nicht, sie auf etwas hinzuweisen, was eigentlich auf der Hand liegt, nämlich, dass ihre Beteuerungen, ihr Sohn müsse als Sündenbock herhalten, keinen Sinn ergeben. Es geht zeitlich
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