Bastard
Reizbarkeit, die, wie Sie wissen, immer stärker wurden. Schließlich kam es zu Bewusstseinslücken und Wahnvorstellungen, bis wir ihn ins Krankenhaus gebracht haben.«
»Er hat wieder damit angefangen? Also hat er früher schon einmal ein corticosteroidhaltiges Spray benutzt?«
»Sicher. Im Lauf der Jahre. Allerdings nicht, seit er eine neue Behandlung angefangen hat, was hieß, dass das Spray überflüssig wurde. Etwa ein Jahr lang war das wie ein Wunderheilmittel. Dann kam der Rückfall, und er hat wieder zum Nasenspray gegriffen.«
»Erzählen Sie mir von der neuen Behandlung.«
»Sicher kennen Sie sich mit Tropfen unter die Zunge aus.«
Soweit ich weiß, ist die sublinguale Immuntherapie noch nicht von der Gesundheitsbehörde genehmigt. »Nimmt Ihr Sohn an einer klinischen Studie teil?«, erkundige ich mich deshalb und schreibe Benton noch einen Zettel.
Spray und Tropfen ins Labor, sofort.
»Richtig. Sein Allergologe hat sie ihm vermittelt.«
Ich sehe Benton an, um festzustellen, ob er das ebenfalls wusste. Nach einem Blick auf meinen Zettel zieht er die Handschuhe an und schaut auf die Uhr. Er wird sich nur deshalb mit dem Ring befassen, weil ich ihn darum gebeten habe. So, als kennte er ihn bereits oder wäre darüber im Bilde, dass er keine Bedeutung hat. Offenbar liegen Ergebnisse vor, von denen ich noch nichts ahne. Es muss etwas vorgefallen sein.
»… es ist eine Studie, bei der ein Medikament zu einem anderen als dem ursprünglich vorgesehenen Zweck eingesetzt
wird. Sein Arzt überwacht sie. Jetzt muss mein Sohn nicht mehr jede Woche in die Praxis«, erklärt Mrs. Donahue, und sie wirkt kurz beruhigt, während sie über die Allergien ihres Sohnes anstatt über die tatsächlichen Probleme spricht. Ihr Schmerz mag sich für einen Moment legen, aber es wird nicht von Dauer sein.
Falls sich jemand an Johnnys Medikamenten zu schaffen gemacht hat, wäre das ein Grund, warum sich seine allergischen Symptome wieder verschlechtert haben. Was hat er sich unter die Zunge oder in die Nase appliziert, das man chemisch so verändern kann, dass die Medikamente nicht nur wirkungslos werden, sondern stattdessen großen Schaden anrichten? Ich beobachte Benton, der den Siegelring mustert. Seine Miene ist ausdruckslos. Ich halte einen Bogen Briefpapier hoch, um ihm das Wasserzeichen zu zeigen. Er reagiert nicht. Ich bemerke eine Spinnwebe in seinem Haar, strecke die Hand aus und entferne sie. Er steckt den Ring wieder in den Umschlag. Dann sieht er mich an und weitet die Augen, wie er es auf Partys und Essenseinladungen tut, wenn er mir Lass uns jetzt endlich gehen signalisieren will.
»… Johnny tropfte sich jeden Tag verschiedene Flüssigkeiten unter die Zunge, und das funktionierte eine Weile ausgezeichnet. Dann klappte es plötzlich nicht mehr, und es ging ihm immer elender. Also hat er im letzten August wieder mit dem Spray angefangen. Doch es wurde nur noch schlimmer, und gleichzeitig setzten diese beunruhigenden Persönlichkeitsveränderungen ein. Auch andere Leute haben sie bemerkt. Er geriet in Schwierigkeiten, weil er sich danebenbenommen hatte, und wurde, wie Sie wissen, aus diesem Kurs geworfen. Aber er hätte dem Kind nie etwas getan. Ich bin sicher, dass Johnny den Jungen gar nicht kannte, und er hätte niemals …«
Benton zieht die Handschuhe aus und wirft sie in den Papierkorb.
Als ich auf den Umschlag deute, schüttelt er den Kopf. Erkundige dich bei Mrs. Donahue nicht nach dem Ring. Er möchte nicht, dass ich ihn erwähne. Vielleicht ist es auch gar nicht nötig, dass ich ihn aufs Tapet bringe, weil Benton etwas weiß, das mir unbekannt ist. Im nächsten Moment bemerke ich, dass seine schwarzen Kampfstiefel mit grauem Staub bedeckt sind, der bei unserem Gespräch in Fieldings Büro noch nicht da war. Auch die Beine seiner schwarzen Cargohose sind ziemlich staubig, und die Ärmel der Lammfelljacke sind schmutzig, als wäre er an etwas entlanggestreift.
»… Das war das Wichtigste, was ich ihn fragen wollte, eher eine persönliche Sache an ihn als Kampfsporttrainer, der eigentlich an einen Ehrenkodex gebunden sein sollte«, sagt Mrs. Donahue, was mich aufhorchen lässt. Ich traue meinen Ohren nicht und bin sicher, sie falsch verstanden zu haben. »Das hat mich mehr gewurmt als alles andere. Es war nicht so, wie Sie angenommen haben oder wie er es Ihnen erzählt hat. Er hat gelogen, davon bin ich überzeugt. Sollte er, wie bereits gesagt, behaupten, ich hätte angerufen, weil ich Einzelheiten
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