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Bastard

Bastard

Titel: Bastard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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nicht auf.
    Johnnys Persönlichkeitsveränderung hat bereits im letzten Sommer während des Praktikums bei Otwahl begonnen. Dennoch deutet sie an, jemand habe Johnny einer Gehirnwäsche unterzogen, und zwar deshalb, damit er einen Mord gesteht, der zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht geschehen war. Mark Bishop ist nämlich erst am 30. Januar, also Monate später, umgebracht worden. Außerdem lässt die Vorgehensweise in seinem Fall nicht auf ein sorgfältig geplantes Verbrechen schließen. Es handelt sich um einen sinnlosen und sadistischen Übergriff auf einen kleinen Jungen, der an einem
Spätnachmittag am Wochenende bei Dämmerung und unbeaufsichtigt in seinem eigenen Garten gespielt hat. Ich tippe eher auf eine spontane Tat, begangen aus reiner Mordlust, das böse Spiel eines skrupellosen Menschen mit möglicherweise pädophilen Neigungen.
    »… Leute, die noch nie von Asperger gehört haben, glauben, dass die Betroffenen gewalttätig sind und fast keine menschlichen Regungen haben. Dass sie nicht so fühlen wie wir anderen oder gar überhaupt nichts empfinden. Die Leute phantasieren sich alles Mögliche zurecht, nur weil jemand anders ist, wie ich es nenne, nicht krank oder irre, sondern eben anders. Das benachteiligt ihn.« Mrs. Donahue spricht schnell, und ihre Gedanken scheinen sich zu überstürzen. »Wenn man darauf hinweist, dass er sich Sorgen wegen seines Verhaltens macht, denken die Leute, er ist eben so wie immer. Typisch Johnny, nur wegen seines Andersseins, und das meine ich mit Benachteiligung, als ob er noch mehr Probleme nötig hätte. Doch diesmal lag es eindeutig nicht an seinem Anderssein. Seit er im letzten Mai bei dieser Firma, Otwahl, angefangen hat, wurde es immer schlimmer …«
    Mir fällt ein, was Benton vor ein paar Stunden erwähnt hat, nämlich, dass der Mord an Mark Bishop mit weiteren Verbrechen zusammenhängen könnte: dem Tod des Footballspielers vom Boston College, dessen Leiche im November im Hafenbecken aufgefunden wurde. Und vielleicht sogar mit dem Toten aus Norton’s Woods. Wenn Benton recht hat, hätte der wahre Täter Johnny Donahue alle drei Morde in die Schuhe schieben müssen. Aber wie sollte das möglich sein? Zum Zeitpunkt des Verbrechens in Norton’s Woods befand sich Johnny in stationärer Behandlung im McLean, ein offensichtlicher Grund, warum er diese Tat nicht begangen haben kann. Ich jedenfalls sehe keinen Weg, ihn zum Schuldigen zu stempeln – außer er hätte eine Möglichkeit gefunden, das
Krankenhaus zu verlassen und, bewaffnet mit einem Injektionsmesser, durch die Stadt zu laufen.
    Benton schreibt mir noch einen Zettel. Wir müssen los. Der Satz ist unterstrichen.
    »Mrs. Donahue, nimmt Ihr Sohn Medikamente?«, erkundige ich mich.
    »Eigentlich nicht.«
    »Rezeptpflichtige oder rezeptfreie?«, hake ich nach, ohne zu drängend zu klingen, was mir sehr schwerfällt, weil meine Geduld allmählich zu Ende geht. »Vielleicht können Sie mir Auskunft geben, ob er vor seiner Einweisung ins Krankenhaus irgendetwas genommen oder andere gesundheitliche Probleme hatte.«
    Beinahe hätte ich gehabt hat gesagt, als wäre er tot.
    »Nun, ein Nasenspray. Insbesondere in letzter Zeit.«
    Benton breitet die Handflächen aus, was wohl Das ist mir nichts Neues ausdrücken soll. Er ist über Johnnys Medikamente im Bilde. Auch er hat keine Geduld mehr, und langsam machen sich hinter der Fassade der Gelassenheit die ersten Anzeichen dafür bemerkbar. Er will, dass ich jetzt sofort zu telefonieren aufhöre und mitkomme.
    »Warum in letzter Zeit? Hatte er Schwierigkeiten mit der Atmung? Allergien? Asthma?«, frage ich, während ich ein Paar Untersuchungshandschuhe aus dem Spender nehme und sie Benton reiche. Dann gebe ich ihm den braunen Umschlag mit dem Ring.
    »Tierhaare, Pollen, Staub, Gluten, eigentlich gegen alles. Fast sein ganzes Leben lang ist er schon bei verschiedenen Allergologen in Behandlung. Bis zum letzten Spätsommer klappte alles recht gut, und dann wirkte plötzlich nichts mehr richtig. Es waren ziemlich viele Pollen unterwegs. Außerdem verschlimmert Stress die Sache noch. Und er hatte eine Menge Stress«, erwidert sie. »Also hat er wieder mit einem Spray angefangen,
das irgendeine Art Cortison enthält. Der Name ist mir gerade entfallen …«
    »Corticosteroid?«
    »Genau, das ist es. Ich habe schon überlegt, ob es vielleicht Einfluss auf seine Stimmung und sein Verhalten gehabt haben könnte. Schlaflosigkeit zum Beispiel. Gefühlsschwankungen und

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