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Bastard

Bastard

Titel: Bastard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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erklären soll. Ich allerdings glaube nicht, dass die Antwort so einfach ist, und halte sie auch nicht für wahr. Andere Anmerkungen von Benton nehme ich hingegen sehr ernst. Ich war zu nachsichtig mit Fielding. Und zwar schon immer. Ich habe ihn nie so gesehen, wie er wirklich ist, oder ihm zugetraut, anderen ernsthaft Schaden zuzufügen. Und damit habe ich ihm sein Tun erst ermöglicht.
    Wo das Meer die Luft erwärmt, verwandelt sich der Schnee in Eisregen. Wegen abgerissener Leitungen ist dieser Teil von Salem Neck, der Winter Island heißt, noch immer ohne Strom. Hier besitzt Jack Fielding als Geldanlage ein denkmalgeschütztes Haus, von dem ich nichts geahnt habe. Auf dem Weg hierher kommt man am Plummer Home for Boys vorbei, einer reizenden moosgrünen Villa auf einer malerischen Rasenfläche mit Meerblick. In der Ferne ist die Luxussiedlung Marblehead zu sehen. Ich muss daran denken, wie alle Dinge beginnen und enden. Menschen neigen dazu, auf der Stelle zu treten, so dass sie sich im Grunde genommen nie wirklich von ihren Anfängen entfernen.
    Fielding hat sein Leben dort angehalten, wo es sich so stotternd in Bewegung gesetzt hat, in einer Idylle für schwererziehbare Jugendliche, die nicht mehr bei ihren Familien wohnen können. Ich frage mich, ob er sich absichtlich ein Haus ausgesucht hat, das nur einen Katzensprung von einem Kinderheim für Jungen entfernt ist. Hat dieser Punkt bei seiner Entscheidung für eine Immobilie unterbewusst eine Rolle gespielt? Man hat mir erzählt, er habe die Absicht gehabt, sich hier zur Ruhe zu setzen oder das Haus nach Abschluss der dringend notwendigen Renovierungsarbeiten irgendwann mit Gewinn zu verkaufen, wenn der Markt sich wieder erholt habe. Die Arbeiten an Haus und Nebengebäuden habe er selbst durchgeführt, und zwar ziemlich schlampig. Gleich würde ich die Beweise für sein ungeordnetes, chaotisches
Denken zu sehen bekommen, die handwerklichen Leistungen eines Menschen, der völlig die Kontrolle über sich verloren habe, wie Benton mir erklärte. Ich würde Einblicke in das Leben und Sterben meines begabten Protegés erhalten.
    »Bist du noch bei der Sache? Du bist sicher schrecklich müde«, sagt Benton und berührt mich am Arm.
    »Alles bestens.« Mir wird klar, dass ich seine Stimme ausgeblendet habe.
    »Du machst aber nicht diesen Eindruck. Du weinst immer noch.«
    »Ich weine nicht. Es ist die Sonne. Ich fasse es nicht, dass ich meine Sonnenbrille verlegt habe.«
    »Ich habe dir doch meine angeboten.« Seine dunklen Brillengläser wenden sich mir zu, während der Wagen im grellen Sonnenlicht die knirschende Straße entlangkriecht.
    »Nein, danke.«
    »Warum verrätst du mir nicht, was mit dir los ist, denn wir werden eine Weile keine Gelegenheit mehr zum Reden haben«, fordert er mich auf. »Du bist wütend auf mich.«
    »Du machst nur deine Arbeit, woraus die auch immer bestehen mag.«
    »Du bist wütend auf mich, weil du eigentlich wütend auf Jack bist und dich vor diesem Gefühl fürchtest.«
    »Ich fürchte mich nicht vor dem, was ich für ihn empfinde, sondern eher vor den übrigen beteiligten Personen«, entgegne ich.
    »Und das bedeutet?«
    »Es ist nur so ein Gefühl. Außerdem bist du ohnehin nicht meiner Ansicht. Also belassen wir es dabei«, erwidere ich und betrachte durch die Scheibe das kalte blaue Meer und den Horizont in der Ferne, wo ich am Ufer Häuser erkenne.
    »Könntest du das ein bisschen genauer ausführen? Was für ein Gefühl? Ist das ein neuer Gedanke?«

    »Nein. Und es will sowieso niemand hören«, antworte ich und starre weiter in den sonnigen Nachmittag hinaus, während wir weiter nach einer Parklücke suchen.
    Allerdings helfe ich Benton nicht dabei, sondern sitze einfach nur da und schaue aus dem Fenster. Dabei huschen meine Gedanken hin und her wie ein kleines Tier auf der Suche nach einem Unterschlupf. Benton findet vermutlich, dass ich ihn nicht sehr unterstütze. Allerdings hat er diesem Zustand aktiv Vorschub geleistet, indem er so lange damit gewartet hat, mich zu einer Sache dazuzuholen, die schon seit einigen Stunden andauert. Ich betrete die Bühne, während alles bereits in vollem Gange ist, als handelte es sich um eine Oper, bei der es keine Rolle spielt, ob ich irgendwann in der Mitte oder gegen Ende hereinspaziere.
    »Mein Gott, allmählich wird es albern. Man möchte doch meinen, dass uns jemand einen Parkplatz reserviert hat. Ich hätte Marino bitten sollen, Verkehrskegel aufzustellen und uns eine Lücke zu

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