Bastard
diese Konstruktion wurde eines Tages auf eine Weise missbraucht, wie er es sich, als er mit dem Abzapfen und dem Verkauf von Sperma anfing, wohl nie hätte träumen lassen.
»Soweit ich bis jetzt feststellen konnte, wurde hauptsächlich
der Spalthammer benutzt, was das gleichzeitige Vorhandensein von stumpfen und Schnittverletzungen erklären würde«, beginnt Pruitt, ohne mich auch nur zu begrüßen, so als ob unsere Begegnung hier nichts Ungewöhnliches wäre. Als handelte es sich nur um eine Fortsetzung unserer Zusammenarbeit in Dover. »Das ist so etwas wie ein Vorschlaghammer mit einem langen Stiel, dessen eine Seite eine Klinge hat wie eine Axt. Er lag unter dem Teppich und dem Holz, zusammen mit einer Jacke mit dem Emblem des Boston College, einem Paar Turnschuhen und anderen Kleidungsstücken, die wir Wally Jamison zuordnen können. Der ganze Bereich war mit diesem Zeug da drüben abgedeckt.« Er zeigt auf die Teppichreste und das Holz, das man zur Seite geschafft hat. Vermutlich ist der Tatort damit getarnt worden. »Alles, natürlich auch der Spalthammer, ist bereits verpackt und an Ihr Institut geschickt worden. Haben Sie die Waffe schon gesehen?«, fragt Pruitt kopfschüttelnd.
»Nein.«
»Ich wage gar nicht mir vorzustellen, dass jemand mit so einem Ding auf mich losgehen könnte. Mein Gott. Wie bei Lizzie Borden. Und dazu die blutigen Seilenden, an denen das Opfer aufgehängt war.« Er deutet auf die an der mit altem, schwarzem Blut verkrusteten Wand befestigten Schäkel und Ringe. Fast kann ich die Furcht riechen, die unermessliche Todesangst des Footballspielers, der an Halloween hier gefoltert und ermordet worden ist.
»Warum hat er das nicht abgewischt?«, stelle ich die erste Frage, die mir einfällt, als ich den Tatort betrachte, wo seit dem brutalen und sadistischen Mord an Wally Jamison offenbar nichts angerührt worden ist.
»Wahrscheinlich ist er den Weg des geringsten Widerstands gegangen und hat die Sache nur mit Pressspan und altem Teppich abgedeckt«, erwidert Pruitt. »Deshalb wimmelt es hier
auch von Schmutz und Fasern. Offenbar hat er sich nach dem Mord die Mühe des Putzens gespart und einfach Teppichreste draufgeschmissen und die Bretter an die Wand gelehnt.« Wieder weist er auf den Haufen aus alten Teppichresten von unterschiedlicher Farbe und die großen Pressspanplatten, die sich auf dem weißen Boden stapeln. Daneben befindet sich eine Tür, die aus dem Keller führt.
»Ich verstehe nicht, warum er das Blut nicht abgewischt hat«, beharre ich. »Es ist drei Monate her. Und er soll einen Tatort praktisch wie eine Zeitkapsel hinterlassen haben? Einfach unter einem Teppich und Holz versteckt?«
»Eine Theorie lautet, dass ihn das erregt hat. So wie manche Leute ihre Tat fotografieren oder filmen, damit sie auch später noch etwas davon haben. Wenn er hier runterkam, wusste er immer, was sich unter den Brettern und dem Teppich verbarg, und das hat ihn eben scharfgemacht.«
Jemanden hat es sicher scharfgemacht , denke ich. Jack Fielding hatte noch nie etwas für Blut übrig. Für einen Rechtsmediziner war er erstaunlich zimperlich. Benton wird sicher behaupten, er habe unter dem Einfluss von Drogen gestanden. Das werden alle sagen, und vielleicht stimmt es ja auch. Fielding hat sich verändert, daran zweifle nicht einmal ich.
»Wir könnten Ihnen bei diesem Fall helfen«, meint Pruitt und betrachtet mich durch seinen Gesichtsschild. Das durchsichtige Plastik beschlägt, als er die kalte Kellerluft einatmet. Seine haselnussbraunen Augen blicken zwar aufmerksam und freundlich drein, aber ich merke ihm an, dass ihn etwas bedrückt. Aber wie sollte es anders sein? Ich überlege, ob er das Gleiche empfindet wie ich, ob er auch ein Bauchgefühl hat, dass etwas an dieser Sache faul ist. Stellt er sich gerade dieselbe Frage, die mir in den Sinn kommt, als ich die geschwärzte weiß gestrichene Wand mit den daran befestigten rostigen Schäkeln betrachte?
Warum sollte Jack Fielding so etwas tun?
Toten Sperma zu entnehmen und es an die trauernden Angehörigen zu verkaufen ist beinahe nachvollziehbar. Man kann es mit Habgier oder sogar mit Freude an der Macht erklären, Leben zu spenden und die Toten unsterblich zu machen. Doch als ich mir die Fotos, die Videoaufnahmen und die CT-Bilder von Wally Jamisons verstümmelter Leiche ins Gedächtnis rufe, denke ich dasselbe wie damals. Meiner Einschätzung nach standen hinter dem Mord sexuelle und emotionale Motive. Der Täter, der ihn mit
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