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Bastard

Bastard

Titel: Bastard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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den Flur hinuntergelaufen, um Anne und Ollie zu alarmieren.
    Wenn jemand während meiner sechs Monate in Dover Umtriebe wie diese hätte bemerken müssen, dann wäre das Anne gewesen, habe ich Marino erläutert. Doch sie hat Fielding nie dabei erwischt und hatte keine Ahnung. Ausgehend von den Funden im Gefrierschrank im Keller und zwischen den Scherben überall auf dem Boden, wissen wir inzwischen, dass er mindestens hundert Patienten Sperma entnommen haben muss. Das heißt etwa einhunderttausend Dollar möglicher Gewinn, abhängig von seinen Preisen und ob er diese den finanziellen Verhältnissen der jeweiligen Familie oder anderer Interessenten angepasst hat. Mit diesem flüssigen Gold, wie die Polizisten das nennen, hat Fielding auf dem von ihm selbst geschaffenen Schwarzmarkt regen Handel getrieben. Die Frage, warum er sich Eli als unfreiwilligen Spender ausgesucht hat, vorausgesetzt, das ist seine Absicht gewesen, beschäftigt mich weiter. Doch wir werden es jetzt wohl nie erfahren.
    Der Grund könnte sein, dass gestern Vormittag, als Fielding in die Kühlkammer kam, dort nur eine junge männliche Leiche lag, die frisch genug war, um als Kandidat dienen zu können, nämlich Eli Goldman. Der andere tote Mann war schon alt und hatte aller Wahrscheinlichkeit nach keine Angehörigen, die Interesse daran gehabt hätten, sein Sperma zu kaufen. Der dritte Fall war eine Frau. Wäre Fielding, falls er Eli tatsächlich mit dem Injektionsmesser umgebracht hat, wirklich so tollkühn gewesen, dem jungen Mann das Sperma abzunehmen? Und wem hätte er es verkaufen sollen, ohne sich selbst zu belasten? In diesem Fall hätte er den Mord doch genauso gut gleich gestehen können.

    Es lässt mich nicht los, dass Fielding nicht wusste, wer der nicht identifizierte junge Mann war, als man ihn am Sonntagnachmittag informierte. Fielding hat sich nicht die Mühe gemacht, zum Fundort der Leiche zu fahren. Er hatte kein Interesse daran und zu diesem Zeitpunkt auch noch keinen Grund dazu. Deshalb hält sich bei mir die Vermutung, dass er bis zum Betreten der Kühlkammer völlig ahnungslos war und Eli Goldman dann erkannte, weil zwischen ihnen eine Verbindung bestand. Vielleicht waren es Drogen, eine mögliche Erklärung, warum Eli Fieldings Pistole in der Tasche hatte. Fielding hätte Eli die Glock ja verkauft haben können. Irgendwo musste er sie schließlich hergehabt haben. Drogen, die Pistole. Vermutlich steckt noch mehr dahinter. Wenn ich nur wüsste, was in Fielding vorgegangen ist, als er gestern kurz nach sieben Uhr morgens in die Kühlkammer kam. Dann hätte ich des Rätsels Lösung. Dann wäre alles klar.
    Als ich in meinem sperrigen gelben Overall und den schweren Gummistiefeln die Steintreppe hinuntersteige, muss ich eine an der Decke hängende Lampe beiseiteschieben, damit sie nicht gegen meinen Helm prallt.
    Kalter Schweiß läuft mir die Flanken hinunter, und ich mache mir Sorgen wegen Briggs, weil mir vor einer Begegnung mit ihm graut. Außerdem sorge ich mich um einen Greyhound namens Sock. Ich sorge mich überhaupt um alles, um das man sich nur sorgen kann, weil ich mich vor dem Anblick fürchte, der mir bevorsteht. Doch es ist besser. Sooft ich mich auch über Marino ärgern mag, hat er sich diesmal richtig verhalten. Ich hätte nicht gewollt, dass Fieldings Leiche ins CFC geschafft wird, wo ich zum ersten Mal in einem Leichensack auf einem Rollwagen aus Stahl oder auf einer Bahre mit ihr konfrontiert worden wäre. Marino kennt mich gut genug, um zu wissen, dass ich verlangen würde, Fielding so zu sehen, wie
er gestorben ist. Nur so kann ich mich vergewissern, dass es sich wirklich auf diese Weise abgespielt hat und dass sich das Ergebnis von Briggs’ Untersuchung vor einigen Stunden mit meinen Beobachtungen deckt. Ich brauche die Gewissheit, dass Briggs und ich, was die Ursache von Fieldings Tod angeht, einer Meinung sind.
    Der Keller hat weißgetünchte Steinwände, eine gewölbte Decke, ebenfalls aus Stein, und keine Fenster. Er ist zu klein für so viele Menschen, die alle genauso angezogen sind wie ich: grellgelb mit dicken schwarzen Handschuhen, grünen Gummistiefeln und leuchtend gelben Helmen. Einige tragen Gesichtsschilder, andere OP-Masken. Ich erkenne Wissenschaftler aus meinem Institut, drei aus dem DNA-Labor. Sie nehmen Abstriche von einer Stelle des Steinfußbodens, der mit zersplitterten Reagenzgläsern und deren schwarzen Plastikstöpseln bedeckt ist. Daneben stehen der von Marino erwähnte

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