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Bastard

Bastard

Titel: Bastard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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Heizstrahler und ein hoher Niedrigtemperatur-Gefrierschrank aus Edelstahl. Er ist vom selben Hersteller wie das Modell, das wir in unseren Labors benutzen, um Proben organischen Materials bei besonders tiefen Temperaturen zu lagern.
    Die Tür des Gefrierschranks ist weit offen. Die verstellbaren Regalböden sind leer, weil jemand, mutmaßlich Fielding, die Proben herausgeholt, sie auf den Steinboden geworfen und dann den Heizstrahler eingeschaltet hat. An den Scherben erkenne ich Teile von Etiketten. Ansonsten ist der Boden sauber. Offenbar ist der Keller mit einer matten Dispersionsfarbe gestrichen worden wie ein zum Labor umfunktionierter Weinkeller. Es gibt hier ein Waschbecken und eine Arbeitsfläche aus Stahl, Ständer für Reagenzgläser und große Stahltanks mit flüssigem Stickstoff. Die Mitte des Hauptraums, in dem ich mich inzwischen befinde, wird von einem langen Metalltisch eingenommen, den Fielding vermutlich zum Verpacken
benutzt hat. Es sind auch einige Stühle da, einer davon herausgezogen, als hätte jemand darauf gesessen. Ich schaue mir zuerst den Stuhl an und halte Ausschau nach Blut, kann aber keines entdecken.
    Der Tisch ist mit weißem Metzgerpapier abgedeckt. Darauf liegen ellbogenlange, hellblaue, frostsichere Handschuhe, Ampullen, Halterungen, wischfeste Stifte, lange Korken und Maßstäbe für Kanister. Unter dem Tisch stapeln sich weiße Pappkartons, die CryoCubes heißen. Es handelt sich um preiswerte Transportbehälter, die wir üblicherweise für den Versand organischer Materialien verwenden. Die Proben kommen zuerst in einen Aluminiumkanister, wo sie bis zu fünf Tage lang bei minus einhundertfünfzig Grad gefroren bleiben. Die Schachteln werden auch für das Versenden tiefgekühlten Spermas benutzt und deshalb häufig als »Samentanks« bezeichnet. Sie sind bei Tierzüchtern sehr beliebt.
    Ich kann nur vermuten, dass Fielding die Ausrüstung und die Verbrauchsmaterialien für seine illegale Heimarbeit im CFC gestohlen hat. Offenbar ist es ihm im Schutz der Dunkelheit oder nach Feierabend gelungen, die verschiedensten Dinge aus den Labors mitgehen zu lassen, ohne dass die Wachleute den geringsten Verdacht geschöpft haben. Möglicherweise hat er das Benötigte ja auch einfach auf unsere Rechnung bestellt, es sich aber direkt hierher ins Haus des Kapitäns liefern lassen. Während ich noch versuche, seine mutmaßlichen Verbrechen zu rekonstruieren, ist er so nah bei mir, dass ich ihn berühren könnte. Er liegt unter einem blauen Einweglaken auf seinem sauberen, weißen, mit Dispersionsfarbe gestrichenen Fußboden, der an einer Kante des mit Plastik beschichteten Papiers einen Blutfleck aufweist. Dieser ist, soweit ich im Bilde bin, Teil einer großen Lache unter seinem Kopf. Von meinem Platz aus kann ich feststellen, dass das Blut angefangen hat, sich in seine Bestandteile
aufzuspalten und zu verklumpen. Es befindet sich in einem frühen Zerfallsstadium, einem Prozess, der von den im Keller herrschenden Temperaturen stark verzögert worden ist. Es ist hier so kalt, dass man seinen Atem sehen kann. So kalt wie in der Kühlkammer eines Leichenschauhauses.
    Das Blitzlicht einer Kamera zuckt immer wieder, als eine breitschultrige, grellgelb gekleidete Gestalt eine Stelle an der weißen Wand fotografiert, die geschwärzt und schmutzig ist. Man hat eine Messbildkamera auf einem leuchtend gelben Stativ aufgestellt, und ich vermute, dass das elektrooptische Gerät bereits den Fundort der Leiche kartographiert und die Koordinaten jedes wichtigen Punkts aufgezeichnet hat. Auch diejenigen von Colonel Pruitts Fotomotiv. Er bemerkt, dass ich ihn ansehe, und lässt die Kamera sinken, als ich zu der Wand gehe. Ich rieche den Tod, den Hauch des animalischen und durchdringenden Gestanks von Blut, das im Lauf von Monaten in einer kalten Umgebung ohne Sonnenlicht zerfallen und getrocknet ist. Außerdem rieche ich Moder und Staub und bemerke an einer anderen Wand Haufen von zerrissenen, schmutzigen Teppichresten und Pressspan. Am Staub und den Schmierern auf dem weißen Boden erkenne ich, dass Teppich und Holz erst vor kurzem dorthin geschleift worden sind.
    Etwa auf Höhe meines Kopfes sind einige Ankerschäkel an die Wand gedübelt, wie man sie für Seilwinden verwendet. Aus den Taurollen, Schmierölkannen, Klammern, einem Sackkarren und den Haken und Drehgelenken an der Decke schließe ich, dass Fielding sich ein kreatives System zum Wuchten der schweren Tanks mit Flüssigstickstoff gebastelt hat. Und

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