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Bastard

Bastard

Titel: Bastard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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Verbrechen steckt. Jemand anders als Fielding, der das Opfer ist, nicht das Ungeheuer, für das ihn alle inzwischen halten.
    »Wir wissen nicht, ob seine Familie je hier war«, erkläre ich Marino ruhig und geduldig, aber in strengem Ton. »Also seine Frau und seine beiden kleinen Töchter. Wir haben keine Ahnung, wer sich im Haus aufgehalten und dort etwas angefasst hat.«
    »Die werden doch nicht aus Chicago hergekommen sein, um in dieser Bruchbude zu hausen.«

    »Wann genau sind sie aus Concord weggezogen?« Dort haben Fielding und seine Familie gewohnt, und zwar in einem gemieteten Haus, das zu finden ich ihm geholfen hatte.
    »Letzten Herbst. Und es passt genau.« Marino ergeht sich wieder in Mutmaßungen. »Die Sache mit dem Footballspieler und alles andere ist passiert, nachdem Fieldings Familie zurück nach Chicago gezogen ist und er herkam, um dieses Haus herzurichten, während er darin gelebt hat wie ein Penner. Er hätte dir doch eine gottverdammte E-Mail schreiben und dir mitteilen können, dass es hier mit seinem Privatleben nicht klappt. Dass seine Frau und seine Kinder kurz nach der offiziellen Eröffnung des CFC die Biege gemacht haben.«
    »Das hat er mir nicht gesagt. Tut mir leid, wirklich nicht.«
    »Schon gut, wirf mir jetzt nicht vor, dass ich es nicht getan habe.« Marino verstaut die Isolierbandrolle in einem Asservatenbeutel aus Plastik. »Es ging mich nichts an. Schließlich wollte ich nicht gleich nach Antritt meines neuen Jobs anfangen, Kollegen zu verpetzen und dir unter die Nase zu reiben, dass Fielding so durchgeknallt ist wie immer. Eigentlich hättest du damit rechnen müssen, anstatt es für eine prima Idee zu halten, ihn wieder einzustellen.«
    »Ich hätte damit rechnen müssen?« Ich weiche Marinos vorwurfsvollem Blick aus blutunterlaufenen Augen nicht aus.
    »Setz den Helm auf, bevor du runtergehst. An der Decke hängt jede Menge Zeug rum. Alle möglichen Lampen, als ob wir Weihnachten hätten. Ich muss raus zum Transporter. Du möchtest sicher ein paar Minuten für dich haben.«
    Ich stelle den Riemen meines Helms enger. Marino lässt mich nicht deshalb allein in den Keller gehen, damit ich ein paar Minuten für mich habe, sondern weil er so feinfühlig ist, mir Gelegenheit zu geben, das, was mich dort unten erwartet, zu verarbeiten, ohne dass er dicht neben mir steht. Zumindest hat er sich das vermutlich eingeredet. Aber als ich höre, wie er
seine Stiefel in den Wannen vor der Tür reinigt, indem er ins Wasser und wieder hinaussteigt, kann ich mir nur ausmalen, wie abstoßend ein solcher Anblick auf ihn wirken muss. Das hat nur wenig mit den widerwärtigen Begleiterscheinungen zu tun, wenn Körperflüssigkeiten auftauen und sich zersetzen. Ja nicht einmal mit seiner Angst vor Hepatitis, HIV oder einem anderen Virus. Ihn belastet, wie die Körperflüssigkeiten überhaupt hierhergekommen sind. Marinos Waschungen in den Plastikwannen voller Wasser und Geschirrspülmittel dienen dem Zweck, sich von der Schuld zu reinigen, die er sicher empfindet.
    Marino hat Fielding nicht auf frischer Tat ertappt, und daran hat er zu knacken. Er stellt nämlich den Anspruch an sich, dass er es hätte bemerken müssen. Wie ich unterwegs erst Benton und dann Marino am Telefon erklärt habe, unterscheidet sich die Gewinnung von Sperma nicht sehr von einer Vasektomie, nur mit dem Unterschied, dass der Eingriff bei einer Leiche sogar schneller und unkomplizierter vonstattengeht, und zwar aus offensichtlichen Gründen. Erstens erübrigt sich die örtliche Betäubung. Und zweitens braucht der Arzt sich keine Gedanken über die Gefühle des Patienten zu machen oder zu befürchten, dieser könne seine Entscheidung bereuen oder sonst eine emotionale Reaktion zeigen.
    Fielding musste nichts weiter tun, als einen kleinen Einstich seitlich am Hodensack vorzunehmen und mit einer Spritze das Sperma aus dem Samenleiter abzuzapfen, eine Sache von wenigen Minuten. Wahrscheinlich hat er es nicht während der Autopsie getan, sondern davor. Er hat sich in die Kühlkammer geschlichen, wenn niemand in der Nähe war, und zwar möglichst bald nach Eintritt des Todes. Das könnte rückblickend erklären, warum er als Erster bemerkt hat, dass der Mann aus Norton’s Woods blutete. Fielding ist, als er am Montagmorgen zur Arbeit kam, sofort in die Kühlkammer gegangen,
um sich dem nächsten unfreiwilligen Samenspender zu widmen. Und da ist ihm das Blut auf der Bahre unter dem Leichensack aufgefallen. Also ist er schnell

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