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Bastard

Bastard

Titel: Bastard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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macht er einen beschädigten Eindruck. Vielleicht zersetzt er sich ja auch. Sieht aus, als hätte er ursprünglich acht Beine gehabt, aber nun sind da nur noch vier auf der einen und zwei auf der anderen Seite. Ich maile Ihnen jetzt ein paar Fotos, damit Sie es sich selbst anschauen können.«
    Ich kann die Fotos auf meinem iPhone herunterladen. Die gespenstische Symmetrie löst ein merkwürdiges Gefühl in mir aus, denn ich muss sofort daran denken, dass der Nanoroboter einer mikromechanischen Fliege im Molekularformat ähnelt. Das künstliche Gebilde auf den Fotos ist gebaut wie ein Insekt und hat einen grauen Körper von der Form eines verlängerten Buckyballs. Die zarten Arme oder Beine aus Nanodrähten sind noch intakt, rechtwinklig gekrümmt und an den Spitzen mit Greifwerkzeugen versehen, vermutlich, um sich an Zellwänden festzuhalten oder sich in Blutgefäße oder Organe zu graben und daran haften zu bleiben, während Medikamente oder möglicherweise illegale Drogen abgesetzt werden, die auf Rezeptoren im Gehirn wirken.
    Kein Wunder, dass Johnny Donahues Drogentest negativ ausgefallen ist, schießt es mir durch den Kopf. Wenn die Nanoroboter seinem sublingualen Allergiemedikament oder, noch besser, dem corticosteroidhaltigen Nasenspray zugesetzt wurden, war die Dosis vermutlich so niedrig, dass die Tests nicht anschlagen konnten. Noch erstaunlicher ist, dass die Drogen die Blut-Hirn-Schranke womöglich gar nicht überschritten haben. Drogen, die nicht in den Blutkreislauf geraten, werden nicht mit dem Urin ausgeschieden. Sie
landen auch nicht in den Haaren, und genau darauf kommt es bei der Anwendung der Nanotechnologie in der Medizin ja an. Krankheiten und Störungen sollen mit Medikamenten behandelt werden, die nicht systemisch sind und deshalb weniger Nebenwirkungen haben. Dabei gilt dasselbe wie auch in allen anderen Lebensbereichen: Was eigentlich zum Wohle der Menschheit gedacht war, wird ganz sicherlich missbraucht werden, um Böses zu tun.
    Fußboden und Wände in Fieldings Wohnzimmer sind kahl. Fast bis zur Decke stapeln sich staubige braune Kartons von identischer Größe, die auf den Seiten das Emblem der Umzugsfirma Gentle Giants tragen. Es sind unzählige, zu würfelförmigen Stößen aufgeschichtet, als wären sie in diesen Raum gestellt und seitdem nicht mehr angerührt worden.
    Mitten in diesem Bunker aus Pappe sitzt Briggs. In seiner in gedecktem Braun und Grün gehaltenen Uniform und den Stiefeln erinnert er mich an ein Foto von Matthew Grady, das einen General aus dem Bürgerkrieg darstellt. Er hat ein Mac-Book auf dem Schoß. Die breiten Schultern ruhen gerade an der Stuhllehne. Ich gehe davon aus, dass er absichtlich sitzen bleibt und mich stehen lässt, um unser Gespräch zu steuern und dafür zu sorgen, indem er mir die untergeordnete Rolle zuweist. Doch er erhebt sich und bietet mir den Stuhl an, was ich dankend ablehne. Also treten wir ans Fenster, wo Briggs seinen Laptop aufs Fensterbrett stellt.
    »Interessant, dass er hier ein drahtloses Netzwerk hat«, beginnt Briggs und betrachtet den Ozean und die Felsen auf der anderen Seite der vereisten, mit braunem Sand bestreuten Straße. »Wenn man sich diesen Schweinestall anschaut, würde man es nicht vermuten.«
    »Vielleicht war er ja nicht allein hier.«
    »Vielleicht.«

    »Also ziehen Sie diese Möglichkeit zumindest in Betracht. Das ist, verglichen mit den anderen, schon ein Fortschritt.« Ich lege mein iPhone aufs Fensterbrett, damit er die Darstellung auf dem kleinen Display erkennt. Er mustert sie und wendet dann den Blick ab.
    »Stellen Sie sich zwei Sorten von Nanorobotern vor«, beginnt er, als spräche er mit jemandem, der auf der anderen Seite des gewellten alten Fensters steht. Seine Aufmerksamkeit scheint dem zu gelten, was sich draußen im Freien abspielt. Dem Sonnenlicht und dem funkelnden Wasser, nicht der Frau neben ihm, die sich, ungeachtet ihres Alters und ihrer Position, in seiner Gegenwart stets jung und unsicher fühlt.
    »Einer der beiden Nanoroboter ist biologisch abbaubar«, fährt er fort, »und löst sich irgendwann auf, nachdem er die winzige Dosis einer psychoaktiven Droge abgesetzt hat. Die zweite Art Nanoroboter kann sich selbst vermehren.«
    In Briggs’ Gegenwart komme ich mir immer wie ein anderer Mensch vor, nicht wie ich selbst. Während ich neben ihm stehe, so dass unsere Ärmel sich berühren und ich seine Körperwärme spüre, denke ich an die wundervolle und schreckliche Art, in der er mich

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