Bastard
welches Licht sie ihren Sohn damit rückt«, sagt Benton. Der weiße Wirbel endet so plötzlich, wie er angefangen hat.
Die Flocken sind wieder klein und gefroren, wehen wie Sand über den Asphalt und sammeln sich in kleinen Halden am Straßenrand.
»Johnny war mit seiner Freundin im Bisquit, das stimmt«, spricht Benton weiter. »Doch laut seiner Aussage war er bis zwei dort, nicht nur bis eins. Offenbar gehen er und seine Freundin öfter in dieses Lokal. Aber meines Wissens nach hält er sich nicht streng an das Ritual, jeden Samstag zwischen zehn und eins dort mit ihr zu sitzen.«
Das Bisquit befindet sich in der Washington Street, knappe fünfzehn Gehminuten von unserem Haus in Cambridge entfernt. Ich denke an die Samstage, die ich zu Hause gewesen bin und mit Benton das kleine Café mit dem Speisenangebot auf einer Tafel und den Holzbänken betreten habe. Ob Johnny und seine Freundin wohl je gleichzeitig mit uns dort gewesen sind?
»Wann haben sie denn laut Aussage seiner Freundin das Café verlassen?«, erkundige ich mich.
»Sie behauptet, sie sei gegen eins vom Tisch aufgestanden und habe ihn sitzen lassen, weil er sich seltsam benommen und sich geweigert habe, sie zu begleiten. Gegenüber der Polizei hat sie geäußert, Johnny habe nach Salem fahren wollen, um eine Hellseherin aufzusuchen. Er habe wirres Zeug geredet und noch am Tisch gesessen, als sie ging.«
Ich finde es interessant, dass Benton Polizeiberichte liest und die Einzelheiten einer Zeugenaussage kennt. Es ist nicht seine Aufgabe, Schuld oder Unschuld eines Verdächtigen zu ermitteln oder überhaupt einen Gedanken daran zu verschwenden. Er soll lediglich ein Gutachten darüber erstellen, ob der Patient die Wahrheit sagt oder die Krankheit nur vortäuscht und ob er verhandlungsfähig ist.
»Ein Mensch mit Asperger-Syndrom hätte Schwierigkeiten mit der Vorstellung, sich an eine Hellseherin zu wenden, sich die Karten legen zu lassen oder Ähnliches«, meint Benton. Je mehr er mir verrät, desto größer wird meine Verwirrung.
Er spricht mit mir, als wäre er ein Detective und ermittelte gemeinsam mit mir in diesem Fall. Und dennoch spielt er in Sachen Jack Fielding den Geheimnisvollen. Das ist kein Zufall. Mein Mann plaudert nur selten Informationen aus, auch wenn es manchmal einen anderen Eindruck macht. Wenn er mir etwas mitteilen möchte, das er mir eigentlich nicht anvertrauen dürfte, findet er einen Weg, mich darauf hinzuweisen. Kommt er hingegen zu dem Schluss, dass ich es besser nicht wissen sollte, hilft er mir auch nicht auf die Sprünge. Das ist das Anstrengende an unserem Zusammenleben. Aber wenigstens wird mir so nie langweilig mit ihm.
»Johnny ist nicht in der Lage, abstrakt zu denken und Sprachbilder zu verstehen. Er nimmt alles wörtlich«, fügt Benton hinzu.
»Was ist mit den anderen Gästen im Café?«, frage ich. »Konnte jemand die Aussage der Freundin oder die von Johnny bestätigen?«
»Nichts weiter, als dass er und Dawn Kincaid an diesem Samstagvormittag dort waren«, erwidert Benton. Ich kann mich nicht erinnern, ihn wegen eines Patienten, den er begutachtet hat, je so besorgt erlebt zu haben. »Ich habe keine Ahnung, ob es sich um einen festen wöchentlichen Termin handelt. Und als Johnny gestanden hat, waren schon einige Tage vergangen. Erstaunlich, was für ein miserables Gedächtnis die Leute haben. Und dann fangen sie an zu raten.«
»Also hast du nichts weiter als Johnnys eigene Aussage in der Hand. Und nun auch noch die Behauptungen seiner Mutter in dem Brief.« Ich wiederhole das gerade Gehörte. »Er behauptet, er habe das Bisquit um zwei verlassen, weshalb ihm vermutlich nicht genug Zeit blieb, um nach Salem zu fahren und dort gegen vier jemanden zu ermorden. Laut seiner Mutter ist er um eins gegangen. In diesem Fall hätte er die Möglichkeit gehabt.«
»Wie bereits erwähnt, ist der Brief seiner Mutter nicht sehr hilfreich. Er schadet ihm sogar ziemlich. Bis jetzt ist der einzige Punkt, mit dem man beweisen könnte, dass sein Geständnis erstunken und erlogen ist, das Zeitproblem. Allerdings bedeutet eine Stunde einen gewaltigen Unterschied.«
Ich male mir aus, wie Johnny gegen eins von seinem Tisch im Bisquit aufsteht und nach Salem fährt. Je nach Verkehrsdichte hätte er, als er Cambridge oder Somerville hinter sich hatte, die I-95 nach Norden nehmen und das Haus der Bishops in der Altstadt zwischen zwei und halb drei erreichen können.
»Hat er ein Auto?«, frage ich.
»Er besitzt keinen
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