Bastarde (Von den Göttern verlassen) (German Edition)
es nur, um den anderen zu zeigen, dass sie es fütterte. Sie versuchte vor Handijel zu verbergen, dass das Kind nicht normal war. Er hatte sich so auf die Geburt gefreut. Aber auch er merkte es bald. Es lachte nicht, es weinte nicht. Es lag einfach nur da. Aus Angst, dass etwas nicht mit ihm stimmte, brachten sie es zum Arzt. Aber der Arzt beteuerte immer wieder, es sei alles in Ordnung. Sie trösteten sich und scherzten, sie sollten dankbar sein, dass sie keines dieser Schreibabys hatten. Dass sie die Nächte gut durchschlafen konnten.
Die Monate und Jahre zogen ins Land. Alara war fünf und sollte nächstes Jahr in die Schule kommen. Ihre Eltern wurden nervös. Bis jetzt hatten sie es erfolgreich vor ihrer Umgebung verbergen können. Aber das hatte seinen Preis. Balija verließ nie das Haus und empfing keine Gäste. Sie begann Dinge mit dem Kind zu tun, um zu sehen, ob es auf irgendeine Weise reagieren würde. Zunächst Kniff sie es nur leicht. Als sie darauf keine Reaktion bekam, stach sie es überall mit Nadeln, hielt seine Hand über die Kerzenflamme.
Kein Mucks kam aus dem Mund des Kindes. Blut rann aus den Stichwunden, der Geruch von verbranntem Fleisch erfüllte den Raum. Das Kind verzog jedoch keine Mine, starrte sie mit seinen Augen die ganze Zeit nur an. Aus Unbehagen wurde Angst und aus Angst erwuchs Hass. Balija konnte es nicht mehr ertragen, das Kind um sich zu haben, und sie konnte es auf keinen Fall in die Schule schicken. Das Ehepaar setzte sich zusammen und entschieden sich dazu, das Kind noch ein letztes Mal zum Arzt zu bringen.
Der Doktor untersuchte das Mädchen und sah die Brand- und Stichwunden, die Blauenflecke und frische Würgemale. Als er die Eltern damit konfrontierte, brach Balija in Tränen aus und erzählte alles. Der Arzt führte verschiedenen Test mit Alara durch und kam zu dem selben Ergebnis. Der Körper zeigte zwar natürliche Reaktionen auf die von außen eingewirkten Einflüsse, aber die Empfindungen kamen nicht im Gehirn an. Etwas stimme nicht mit ihrem Nervensystem. Er versuchte die Eltern zu beruhigen und schlug ihnen verschiedene Therapien vor.
So brachte man Alara ein Jahr lang zum Arzt, der alle möglichen Therapien an ihr ausprobierte. Schmerztherapie, Sensibilisierungen, verschiedene Aromatherapien. Er versuchte es mit Pflanzenheilkunde. Nichts schlug an und auch er gab schließlich auf.
Als er das Ehepaar ansah, das er schon von klein auf nur als warmherzig und liebevoll kannte, das sich so sehr auf die Geburt ihres Kindes gefreut hatte, sah er nur Aggression, Angst, Panik, Hass und Unzufriedenheit. Er ertappte sie dabei, wie sie darüber redeten, sie könnten das Kind im Wald aussetzen und allen erzählen, es sei ein Unfall gewesen. Das konnte er nicht zulassen. Es würde die beiden kaputt machen. Dann kam ihm die Idee.
„Am nördlichsten Punkt der Landen, soll ein Kloste r existieren, das ‚spezielle‘ Kinder aufnimmt und sich um sie kümmert. Bringt es hin. Dort wird es vielleicht Hilfe bekommen.“ Glücklich und mit Hoffnung in den Augen verließ das Paar seine Praxis und auch er atmete erleichtert auf. Er hatte nichts mehr mit diesem schwierigen Fall zu tun, er war an seine Grenzen gekommen und konnte das Problem an jemand anderes abgeben. Er lächelte. Aber das Lächeln hatte einen bitteren Nachgeschmack, den er sein Leben lang nicht wegbekommen würde. Der Nachgeschmack des Versagens und der Flucht.
Für Alara war es eine Zeit des Lichts. Des hellen Lichts. Alles war grell, selbst wenn es dunkel war. Es war als starre sie all die Jahre auf ein weißes Papier. Wartend ob nicht irgendetwas erscheinen würde, etwas das die Leere in ihrem Inneren füllen würde. Da war nichts in ihr. Man brachte sie an einen noch weißeren Ort. Grell und weiß. Hier schien nichts zu sein, nichts zu existieren. An diesem Ort war es wie in ihr. Nichts schien hier zu leben.
Ihre Mutter hatte sie und sich in viele Schichten gewickelt. Sie waren auf einem Pferd geritten, bis ein schwarzes Gebäude mit hohen Türmen zu sehen war. Sie ritten immer weiter darauf zu. Dann stiegen sie ab und gingen die letzten Meter zu Fuß. Sie wurden von einem Mann in einer weißen Robe empfangen. Während er in dem Weiß, das alles in diesem Land bedeckte, kaum zu sehen gewesen wäre, hob er sich leuchtend von dem Schwarz des Gebäudes ab.
Ihre Mutter übergab dem Mann wortlos einen Umschlag, drehte sich um und ging. Alara gewohnt ihrer Mutter überall hinzufolgen, lief ihr nach. Ihre kleinen
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