Bastarde (Von den Göttern verlassen) (German Edition)
Flüssigkeit in sich auf und wuchs schnell heran. Mit der Flüssigkeit kamen Erinnerungen und Gefühle. Liebe, Hass, Zuneigung, Hunger, Kälte, Hitze. Sie sah Menschen lächeln, schreien, weinen, kopulieren. Ihr gefiel es an diesem Ort. Sie träumte von Orten, die sie noch nie gesehen haben konnte, denn sie hatte noch nie etwas gesehen.
Sie wusste nicht, wann ihr Bewusstsein entstanden war. Wann sie zu „Sich“ wurde. Es schien immer da gewesen zu sein. Es musste so sein, denn sie erinnerte sich nicht daran, sich nicht zu erinnern. Daher musste sie immer existiert haben. Mit ihr hatte die Welt begonnen und da sie ewig existierte, musste es auch die Welt schon immer gegeben haben.
Dann wurde ihre Welt erschüttert von Schmerz und Krämpfen. Sie fühlte Druck und spürte, wie sie sich bewegte. Aus dem warmen Dunkeln wurde sie hinausbefördert in das Grelle, Kalte. Sie spürte wie große warme Hände sie auffingen. Sie spürte die Erleichterung nach dem stundenlang andauernden Schmerz und die Euphorie, die Euphorie des Wesens, aus dem sie gepresst worden war, über ihre Geburt.
Alara fühlte, wie die Welt des ewigen , warmen Dunkeln zerstört worden war. Ihre Welt war zerstört und sie war in eine Welt geworfen worden, die es vor ihr bereits gegeben hatte. Eine Welt, die zeitlich begrenzt, dazu verdammt schien, in sich selbst zusammenzufallen. Sie erinnerte sich an den Anfang und spürte mit dem Anfang bereits das Ende. Sie spürte die Sterblichkeit. Einmal geboren, lief man auf das Ende hin. Sie verstand. Das war Leben. Alles schien fremd und doch, hatte sie eine Verbindung mit dem Wesen, aus dem sie gekommen war.
Dann passierte etwas Furchtbares. Die Verbindung zwischen ihnen wurde getrennt. Alles um Alara herum wurde schwarz, stumpf. Die Kälte verschwand, so auch die Wärme. Selbst die Erinnerung an die dunkle Wärme schien langsam zu verblassen und zu verschwinden. Alles aus der Welt des ewig warmen Dunklen schien zu verschwinden. Sie versuchte sich daran zu klammern. Aber je mehr sie sich daran klammerte, versuchte es in Erinnerung zu rufen, desto schneller entglitt es ihr.
Alara durchlebte ihre Geburt und den Verlust des einzigen, dass sie je gespürt hatte. Als die Erinnerung völlig weg war und nur eine Leere hinterließ, öffnete sie die Augen. Sie sah das Gesicht einer blonden Schönheit mit grauen Augen, die sie anfunkelten. Dann drängte sich ein anderes Gesicht in ihr Blickfeld. Sein Mund bewegte sie und es kamen Laute heraus, die sie nicht verstand.
„Doktor, warum weint sie nicht, warum schreit sie nicht? Babys müssen doch schreien!“, fragte Balija und blickte besorgt zu ihrem Mann Handijel.
„Beruhigen Sie sich. Es ist ungewöhnlich, aber sie ist gesund. Sie atmet regelmäßig und ihr Herz schlägt kräftig.“
Das beruhigte Balija ein wenig. Auch wenn sie ein seltsames befremdliches Gefühl im Herzen nicht leugnen konnte. Etwas stimmte nicht mit dem Baby in ihrem Arm. Sie spürte nichts von den Muttergefühlen, über die sie schon so viel gehört hatte. Sie fühlte sich, als hielte sie ein fremdes Stück Fleisch in ihren Armen. Balija konnte sich fast des Wunsches nicht erwehren, es von sich zu schleudern. Aber sie tat es nicht. Sie unterdrückte das Gefühl und wusste, es war richtig, als sie in die vor Glück strahlenden Augen ihres Mannes sah. Sie würde es lieben, die Gefühlen brauchten nur ein wenig Zeit, sprach sie sich selbst zu.
Aber sie kamen nicht. Nicht nach Wochen, nicht nach Monaten und nicht nach Jahren. Zunächst gab Balija sich die Schuld, tat alles, um allen in ihrer Umgebung zu zeigen, wie sehr sie ihre Tochter liebte. Sie hoffte, wenn es die anderen glaubten, könne sie selbst daran glauben. Aber sie wurde die Kälte in ihrem Herzen nicht los. Wenn keiner da war, sie keinem etwas vormachen konnte, kam es vor, dass sie das Kind stundenlang nicht anfasste, sich nicht darum kümmerte und keinen Gedanken an sein Wohlbefinden verloren.
In dieser Zeit wurde ihr klar, dass es nicht normal war. Das Kind war nicht normal. Es lag nicht an ihr. Es lag an dem Kind. Es schrie nie. Es schrie nicht vor Hunger, nicht vor Kälte, nicht wenn es die Windeln voll hatte. Wäre der extreme Geruch nicht, hätte sie nicht gewusst, dass das Kind schon seit Stunden in seinen eigenen Exkrementen lag. Und es hätte sie auch nicht gestört.
Aber Handijel würde es merken. Daher wechselte Balija die Windeln. Der Geruch war furchtbar und die ersten Male musste sie sich übergeben. Sie fütterte
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