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Bastarde (Von den Göttern verlassen) (German Edition)

Bastarde (Von den Göttern verlassen) (German Edition)

Titel: Bastarde (Von den Göttern verlassen) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabina Schneider
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können.
    Die Momente der Ektase, in denen er diesen Gefühlen entrinnen konnte, schienen immer kürzer zu werden. Die Erinnerungen danach noch schärfer. All das Leid, das er auf sich genommen hatte. Um anderen zu helfen. Um das Land von einer Seuche zu befreien, die in dem Herzen eines jeden Bewohners der Landen wohnte. Eine ewige Aufgabe, ohne Ende, ohne Sinn. Das hatte sie ihn gelehrt. Sie. Wenn er nur eine Erinnerung loswerden könnte, nur eine einzige aus den zigtausenden, würde er sie wählen. Sie mit ihren im Wind wehenden, nach Wiese duftenden Haaren. Ihre vollen Lippen, ihre im Licht goldglänzenden Augen. Er schüttelte den Gedanken ab. Verdeckte ihn mit sinnlosen Kindheitserinnerungen. Sie würde wiederkommen. Sie würde nachts wiederkommen.
    „ Er ist immer noch dein Trumpf. Jetzt noch schärfer und schneller einsetzbar. Sein Geist ist verwirrt und offen für alles. Er sucht nach Irrealität, um seine Realität zu sichern. Der Samen in ihm ist gepflanzt und wird gedeihen. Ein einziger Gedanke. Das Kind schadet seinem Kind. Es verdunkelt den einzigen Strahl der Sonne, der bis in seinen Kerker geschienen hat. Er wird alles tun, um diesen Strahl am Leben zu erhalten, er wird uns helfen, ihr die Augen zu öffnen. Sie wird die Wahrheit erkennen und annehmen: Das Kind darf nicht geboren werden. “
    Morphis schien mit dieser Antwort zufrieden zu sein. Ohne weitere Kommentare verließ Orils Geist. Oril spürte die Leere dort, wo Morphis überwältigender Geist in seinem geruht hatte. Er hatte Erinnerungen und Gedanken verdrängt, um Raum zu finden. Seine Präsenz war immer überwältigend. All die Jahrhunderte von Erfahrungen und Erlebnissen. Man spürte ihr Gewicht bei jeder noch so kleinen Berührung.
    Orils Geist fühlte sich leer an, als hätte man seinem Körper einen Großteil des Blutes ausgesaugt. Es dauerte seine Zeit, bis die Blutzellen sich regenerierten. Langsam spürte er wie sich die in die Ecke gedrängten Erinnerungen wieder in seinem Geist ausdehnten. Und mit ihnen kam sie wieder. Sein Körper schüttelte sich. Allein der Gedanke an sie machte ihn wahnsinnig. All die Angst, der Schmerz, die Wut gemischt mit Freude und Genuss. Nicht seine und doch zu seinen Eigenen geworden. Das Schicksal der Schlüssel: Leid zu spüren, das nicht das eigene war. Erinnerungen an Schmerz, Angst, Wut, Neid. All diese negativen Gefühle, all die schlimmen Erfahrungen. Nie erlebt und doch in den Erinnerungen gefangen.
    Sie war es , die es ihn gelehrt hatte. Dank ihr gehörte er nicht zu den Schlüsseln, die den Freitod gewählt hatten. Sie hatte ihn gelehrt, die furchtbaren Erinnerungen und die negativen Gefühle nicht nur mit positiven Gefühlen zu überdecken, sondern sie zu mischen. Gefallen zu finden an dem Schmerz und der Angst. Die Schule, die er durchgehen musst, war schwer und das Ergebnis es nicht wert.
    Von der Ekstase, dem kurzen Augenblick des Vergessens, hin zu dem bittersüßen Geschmack der perversen Genugtuung an dem eigenen Schmerz und dem Schmerz anderer, den er nicht empfand, sondern sie. Ihre Gefühle und Erinnerungen, die zu seinen wurden, in dem Moment, als sie ihr Leben in seinen Armen aushauchte. Er hatte es nie wissen wollen, nie verstehen wollen.
    Aber es kam. Er sah nicht nur, er durchlebte in wenigen Augenblick alles, was ihr angetan worden war. Wie sie sich selbst beigebracht hatte, das was man ihr antat zu genießen. Je mehr man ihr wehtat, je härter man sie schlug, je öfter man sie vergewaltigte, desto mehr Freude empfand sie. Desto intensiver war die Ekstase. An dem Punkt, an dem der Schmerz so stark wurde, dass sich die Nerven aus Selbstschutz ausschalteten.
    Sie, die mehr wollte - u m mehr bettelte. Ihre Peiniger - die ihre Macht über sie verloren, als der Schmerz zur Freude wurde. Sie ihre gewonnene Macht durch die Sucht wieder verlor und die Gesichter ihrer Peiniger. Die Angst, die sie in ihren Herzen erzeugte. Sie suchte nach immer mehr Schmerz, stärker, heftiger. Dann fand sie Oril und hauchte in dem ultimativen Schmerz, der ultimativen Ekstase, ihr Leben aus.
    ... sie starb mit einem Lächeln und hinterließ ihm all ihre Erinnerung und Gefühle. Sie brannten sich in seinen Geist. Vergiftetet ihn und beraubten ihn des Letzten, das ihn hatte weiter machen lassen: der Hoffnung. Die Hoffnung, dass die Bewohner der Landen gerettet werden konnten. Gerettet werden wollten.
    In diesem Moment keimte der Gedanke, den Morphis nie erahnen durfte: der Wunsch nach dem Ende, den Wunsch

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