BASTET (Katzendämmerung) (German Edition)
trägt den Namen ›Liger‹.«
Hierbei wies sie mit der Hand auf ein seitlich am Käfig angebrachtes Schild, welches ich bis jetzt übersehen hatte. In großen Lettern war der Name, der wie ein Druckfehler anmutete, eingraviert. Darunter las man: ›Elterntiere: ♂Serengeti-Löwe ♀ Bengalischer Königstiger Alter: 1 1/2 Jahre – Schenkung des Zoos von Chicago‹.
Jetzt verstand ich auch das ungewöhnliche Aussehen des Tieres. Ein männlicher Löwe ohne Mähne, dafür aber von der Größe eines gewaltigen Tigers. Unweigerlich drängten sich mir die Bilder von verschiedenen, so genannten Zuchterfolgen auf: Schweine, die eine zusätzliche Rippe hatten und ihr Futter kniend einnehmen mussten, da ihre kleinen, arthrosezerfressenen Beinchen das immense Körpergewicht nicht mehr tragen konnten; Shar-Peis, deren Haut aussah, als sei sie für einen Hund von dreifacher Größe gedacht. Nur zwei Beispiele, die die wunderbare Macht des Menschen über das Spiel der Gene demonstrierte. Bei diesem Liger hatte die Kreuzung auf den ersten Blick betrachtet aber weder zu einem unästhetischen, noch zu einem für das Wohlbefinden des Tieres bedenklichen Resultat geführt. Die Katze machte einen durchaus gesunden und munteren Eindruck. Gefährlich war wohl die treffendste Beschreibung.
»Sie scheinen die Tiere ja sehr zu mögen«, bemerkte ich höchst geistreich.
Wieder das Aufblitzen eines Lächelns; auch in ihren Augen blitzte es. Als Antwort schien ihr das auszureichen. Halb hatte sie sich schon wieder ihrer Lieblingskatze zugewendet. Wollte sie mir damit etwa andeuten, für sie sei das Gespräch beendet? Für mich hatte es jedenfalls gerade erst begonnen.
»Ich habe Sie überall gesucht; warum haben Sie nicht auf mich gewartet?«
Erneut gewann ich ihre volle Aufmerksamkeit. »Sie haben mich gefunden«, stellte sie lakonisch fest, so, als sei damit alles erklärt. Sie schien nicht gerade ein Freund vieler Worte zu sein, das Thema ›Katzen‹ einmal ausgenommen. Ihr erwartungsvoller Blick, der sich nun auf mich heftete, unterstützte mich nicht eben dabei, einen klaren Gedanken zu fassen.
»Sie sind mir eben aufgefallen«, begann ich, »… unter all den anderen Menschen. Ihr Gesicht … ich glaube, es könnte mit der Kamera flirten.« Ihre Augenbrauen hoben sich fragend.
»Das ist äußerst wichtig«, erklärte ich. »Ein Foto darf nicht nur einfach abbilden. Es muss eine Beziehung mit seinem Betrachter eingehen. Ist es gelungen, wird eine Art Liebesbeziehung daraus, wenn Sie so wollen. Ohne dieses besondere Etwas bleibt ein Bild eben nur ein flaches Stück Papier.« Ich verlor einen Teil meiner Scheu und sah ihr fest in die Augen. »Ich bin sicher … die Kamera wird Sie mögen. Was halten Sie davon, wenn ich ein paar Probeaufnahmen von Ihnen mache?«
Nun war es endlich heraus. Ängstlich gespannt wartete ich auf ihre Reaktion. Die große Katze gab ein unruhiges, drohend klingendes Knurren von sich. Die Wände der Halle wirkten wie ein riesiger Verstärker. Mein Gegenüber war ähnlich ungehalten.
»Aufnahmen von mir … in diesen … diesen widerlichen Fetzen?«, fuhr sie mich an. Bei ›widerlich‹ verzerrten sich ihre hübschen Züge, als habe sie in ein Stück Seife gebissen. »Das kann doch nicht Ihr Ernst sein. Jeder, der diese Sachen trägt oder sich an ihrem Verkauf beteiligt, ist in meinen Augen ein verantwortungsloser, wilder Barbar. Ich verachte die Menschen, die diese wundervollen Geschöpfe aus Profitgier ausrotten. Wie können Sie nur solche Fotos machen und das ausgerechnet noch mit den Tieren hier als Hintergrund. Sind Sie auf diese geschmacklose Idee gekommen?«
Ihr Gefühlsausbruch erfolgte mit einer derartigen Heftigkeit, dass ich mir unsicher darüber wurde, wer aggressiver war: Sie oder die Raubkatze.
»Hören Sie«, konterte ich, »alles, was ich mache, sind Modefotos, nichts weiter. Ich bin weder ein wilder Barbar, noch rotte ich irgendwelche Tiere aus. Wenn ein Kunde von mir die Präsentation einer Pelzkollektion vor Raubtierkäfigen wünscht, so bekommt er sie. Von etwas muss nämlich mein Atelier bezahlt werden, die kleinen Dinge fürs alltägliche Leben nicht mitgerechnet. Leider gehöre ich nicht zu jenen beneidenswerten Kollegen, die sich die Themen ihrer Bilder frei wählen können.« Jetzt war ich es, der – in seiner Berufsehre gekränkt – aufbrausend wurde. Um einen möglichen Einwand schon gleich zu entkräften, schob ich sofort ein weiteres Argument hinterher. »Und
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