Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
BASTET (Katzendämmerung) (German Edition)

BASTET (Katzendämmerung) (German Edition)

Titel: BASTET (Katzendämmerung) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Gordon Wolf
Vom Netzwerk:
machte auf mich den Eindruck, als ob sie träumte oder angestrengt einem Geräusch lauschte.
    Das Flüstern. Auch das Tier musste es hören. Das unablässige Spiel seiner Ohren verriet hohe Aufmerksamkeit. Ich fragte mich, ob die Raubkatze aus dem undeutlichen Zischen eine Bedeutung heraushören konnte. Ihr sonderbares Verhalten deutete jedenfalls darauf hin.
    Unschlüssig trat ich von einem Bein aufs andere. Die Szene vom Vormittag wiederholte sich. Jetzt, da meine Traumfrau direkt vor mir stand, wollte mir partout kein sinnvoller Satz einfallen. Die Situation war einfach grotesk. Wieso drehte sie sich aber auch nicht nach mir um? Sie musste mich doch fast aus ihren Augenwinkeln heraus sehen. Wie das rätselhafte Geschöpf eines Wachsfigurenkabinetts war sie jedoch starr mit ihrer Umgebung verschmolzen. Fasziniert und ratlos zugleich bewegte auch ich mich so ungezwungen und gelöst wie eine tausendjährige Eiche. Ich konnte beobachten, wie mein unregelmäßiger Atem eine ihrer hauchdünnen Haarsträhnen sacht vibrieren ließ. Dies schien die einzig sichtbare Bewegung außerhalb der Käfige zu sein. Nur die Tiere wirkten echt und lebendig. Für einen Moment war mir, als ob sie es waren, die uns reglose Wesen begafften, und nicht umgekehrt.
    Ein fremder Duft strömte mir entgegen, er roch natürlich und auch wieder eigenwillig; ihm fehlte die dichte Süße eines Parfüms aber auch die rohe Herbe der Raubtierluft, vielleicht verband sich auch beides zu einer gelungenen Komposition. Etwas tief in mir vereitelte den Drang, seinen Ursprung weiter aufzuschlüsseln. Ohne zu wissen warum, hielt ich die Luft an. Ein weiteres meiner Sinnesorgane hatte Alarm geschlagen. In meinen Ohren dröhnte ein dumpfes Pfeifen; ein beunruhigendes Phänomen, wusste ich doch instinktiv, dass nichts im weiten Umkreis diesen Ton erzeugte. Mit Beklemmung erkannte ich die Quelle meiner Sinnestäuschung; tatsächlich war es totenstill um mich geworden. Das Flüstern und die tiefen, kehligen Tierlaute lebten nur noch in meiner Erinnerung weiter. Jeglicher Laut war verklungen, so als habe plötzlich eine fremde Macht jede lebende Kehle mit einer Drahtschlinge erdrosselt. Selbst die Luft war tot. Im abgeschlossenen Inneren der Halle sehnte ich mich vergeblich nach dem beruhigenden Säuseln einer leichten Brise. Nichts zeigte mir an, ob ich mich überhaupt noch in einem realen, fassbaren Raum befand. Kein Molekül schien seine vorgegebene Position zu verändern. Und doch war da dieses anhaltende, aus jeder Richtung auf mich eindringende Pfeifen. Es war nur für mich vorhanden. Die alptraumhafte Stille hatte meine Sinne derart geschärft, dass ich den Blutstrom in meinen Adern hören konnte. Mein eigenes Blut hatte mich genarrt. Wie Elektrizität in einer Hochspannungsleitung sang es schrill in meinem Kopf, überflutete gleich einem Strom aus geschmolzenem Blei mein Bewusstsein.
    Völlig hilflos versuchte ich, etwas zu tun, irgendetwas, aber allein der geistige Befehl für eine Tat wollte sich in meinem berstenden Gehirn nicht formulieren.
    Ich weiß nicht mehr, wie lange mich diese grauenvolle Stille umklammert hielt. Mögen es nur Bruchteile von Sekunden gewesen sein, für mich aber vergingen Ewigkeiten, zerdehnte Augenblicke – losgelöst von den Gesetzen der Zeit –, in denen kalter Schweiß meine Haut bedeckte, meine Zunge gefühllos wie ein Stück Pappe hinter fest verschlossenen Lippen lag, unfähig, einen alles erlösenden Schrei auszustoßen.
    Auch jetzt, im Anblick der trostlosen Häuser, die wie graue, namenlose Grabsteine aus einem vom Lichtgitter der Straßen durchzogenen, dunklen Sumpf emporragen, kann ich diese Stille erahnen. Für winzige Momente nur, aber sie ist da. Vielleicht ist sie jetzt auch immer öfter um mich; seit Nataschas Tod. Vielleicht lerne ich nun langsam besser mit ihr umzugehen, sie vielleicht sogar ein wenig zu mögen.
    Eine Polizeisirene reißt mich wieder in die Welt der Geräusche, zurück zu den Lebenden, vor allem zu den Opfern. Irgendwo in diesen trügerisch glitzernden Straßen wurde in dieser Nacht betrogen und gestohlen, vergewaltigt und gemordet. Sicher laufen in dieser Minute einige der Opfer ziellos und desillusioniert umher. Verzweifelt und weinend, zerschunden an Leib und Seele. Andere, denen es noch schlechter erging, liegen mit verdrehten Gliedmaßen in rußigen Kellereingängen oder hinter Sperrmüll versteckt in einer schmalen Gasse, ihre Körper von Messern oder Kugeln durchbohrt. Mit offenen,

Weitere Kostenlose Bücher