BASTET (Katzendämmerung) (German Edition)
getötet hatte, trotz der Fürsprache ägyptischer Politiker und trotz der Macht Roms, vom aufgebrachten Volk gelyncht wurde.« Natascha kniff plötzlich die Augen scharf zusammen. »Manchmal wünschte ich den heutigen Tiermördern ein ähnliches Schicksal.« Wie aus einem überhitzten Dampfkessel zischten die Worte heraus. Sie atmete einige Male kräftig durch, bevor sie wieder im ruhigen Erzählton weitersprach: »Die Verehrung der Katze ging jedoch noch weiter. Herodot berichtet, dass bei einem Hausbrand zuerst die Katzen und dann erst die Menschen sowie ihr Hab und Gut gerettet wurden. Kaum vorstellbar, nicht wahr?«
»Vielleicht sind die Tierfänger von heute alles Nachkommen der damaligen Hausbesitzer«, witzelte ich. Natascha fand daran überhaupt nichts lustig. Sie starrte mich an, als habe ich gerade ihre Mutter aus dem Fenster gestoßen.
»Über Geschichte macht man keine Späße«, antwortete sie schroff. »Niemand hat das Recht, die Sitten und Gebräuche der Vorfahren leichtfertig zu verdammen. Wir leben in unserer Zeit und sie lebten in ihrer. Nur ein Narr würde versuchen, Epochen, zwischen denen tausende von Jahren liegen, gegeneinander abzuwägen!«
»Ja, äh … nein«, stotterte ich. »Natürlich nicht.«
Bei diesem Thema reichte es aus, einmal falsch mit der Wimper zu zucken, um sie gegen sich aufzubringen. Betreten senkte ich meinen Blick und bemerkte, dass ich zum Glück noch die Statue in Händen hielt. Es war eine etwa 30 Zentimeter große, rötlich braune Terrakotta-Figur mit deutlich weiblichen Akzenten. Auf dem wohlgeformten Frauenkörper saß allerdings ein fast schakalartiger Katzenkopf, ansonsten stimmten alle Proportionen. In der rechten Hand (Pfote?) hielt die Katzen-Frau ein vasenähnliches Gebilde, dessen oberer Rand von einem länglichen, hufeisenförmigen Ring umspannt wurde. Es mochte eine Öllampe oder aber auch eine Art Szepter sein. Den linken Arm hatte sie – zur Faust geballt – energisch gegen die Hüfte gepresst.
»Was hat es eigentlich mit dieser Figur für eine Bewandtnis?«
Mit dem rechten Arm schwenkte ich die Plastik deutlich in ihre Richtung. Wenn ich gehofft hatte, sie hiermit auf andere Gedanken zu bringen, so gelang mir das auf Anhieb. Für den Hauch einer Sekunde erblickte ich in ihren Augen das tiefste nur vorstellbare Schwarz. Die Lippen waren blutleer aufeinander gepresst.
»Thomas«, flüsterte sie kaum hörbar. Ihre Worte kamen nur stockend. »Bitte … bitte stell' … diese Figur … wieder … an … ihren Platz. Sie … zerbrechen … sehr leicht.«
Es war mir nun klar, dass Natascha erst jetzt erkannte, welches ihrer Sammlerstücke ich rein zufällig gewählt hatte. Ihr Anblick erschreckte mich; von einer Minute auf die andere schien jegliche Farbe aus ihrem Gesicht gewichen zu sein; ihre finsteren, stark geweiteten Augen starrten wie hypnotisiert auf die Stelle zwischen meinen Händen. Kleine Schweißperlen glitzerten über ihren Lippen. Als ich sie so sah, nackt und zusammengekrümmt, mit bleichem angespanntem Ausdruck, von wilden Haaren – einem zerfetzten schwarzen Schleier gleich – bedeckt, krallte sich eine bisher unbekannte Angst schmerzhaft in mir fest. In diesem kurzen, schrecklichen Augenblick hatte ich den Eindruck, einer Wahnsinnigen gegenüberzustehen.
Nataschas unerwartete Reaktion ließ mich unsicher werden. Plötzlich war mir, als habe sich die Katzen-Frau in eine Kiste mit hochexplosivem Nitroglyzerin verwandelt. Meine Hände bebten vor Nervosität, als ich die Skulptur wieder sicher im Regal deponierte. Länger als notwendig drehte ich ihr den Rücken zu; ich musste Kraft sammeln, um mich erneut dem Anblick ihrer verzerrten Züge stellen zu können. Verständnislos starrte ich in die großen, aufmerksamen Augen der Terrakotta-Skulptur.
Was hast Du ihr nur angetan? , fragte ich sie stumm. Die Schnauze der Katzen-Frau schien sich zu einem wissenden Grinsen zu verziehen.
»Du hast einen schönen Hintern, weißt du das?«, sagte Natascha plötzlich hinter mir. Ich zuckte zusammen, als habe sie mir einen nassen Waschlappen ins Genick geschleudert. Deutlich hatte ich den leisen Schalk in ihrer Stimme vernommen; keine Spur mehr von einem stockenden Flüstern. Beinahe hätte ich das halbe Regal durch meine schnelle Drehung abgeräumt.
Vor mir auf dem Boden saß Natascha und lächelte mich an. Die Wahnsinnige hatte sich in Luft aufgelöst – aber nicht in meinem Kopf. So sehr ich es auch wünschte, es war keine Einbildung
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