BASTET (Katzendämmerung) (German Edition)
unfruchtbaren Boden, verwendete sie doch ständig Fachtermini in so lockerer Art, als berichte sie mir gerade den neuesten Tratsch über die Nachbarn. Sie erstaunte mich. Nein, eigentlich konnte sie das nicht mehr; zu viel war schon geschehen. Sie entzückte mich. Und beunruhigte mich ein wenig. Ich fragte mich, was in diesem bezaubernden Kopf noch alles stecken mochte. Schönheit und Intellekt schienen bei Frauen alles andere als unvereinbare Pole zu sein. Natascha besaß beides im Überfluss. Und noch mehr; etwas, was sich hinter ihren dunklen, nur selten glitzernden Augen verborgen hielt.
Es musste irgendwann in der ersten Woche nach meinem Umzug gewesen sein, als ich mich mit ihr schweißüberströmt auf dem Boden eines türlosen Raumes wiederfand. Mit einem hungrigen Blick in den Augen hatte sie mich wortlos da hinein gezerrt. Die Vorhänge waren zugezogen und filterten die Nachmittagssonne nur träge hindurch. Ich lag ausgestreckt auf dem Rücken, einen Arm unter dem Kopf verschränkt. Die Kälte des Bodens wurde durch ein mir schon vertrautes heißes Stechen in meiner Schulter abgeschwächt; so sehr ich mich auch vorsah, irgendeine ungeschützte Stelle fanden ihre Fingernägel immer. Die Zeichen, die sie wie Brandmale in meine Haut grub, wurden so alltäglich wie die Schnitte beim morgendlichen Rasieren.
Behutsam zog ich mich unter dem Arm hervor, den sie um meine Hüfte geschlungen hatte, und stand leise auf. Natascha blieb wie sie war, zusammengerollt, die wirren Haare ihren ganzen Kopf verdeckend. Sollte sie tatsächlich einmal ihre Kondition verloren haben? Ich glaubte nicht daran; möglicherweise beobachtete sie mich gerade durch den Urwald ihrer Haare hindurch und heckte weitere, noch verrücktere Dinge aus. Das ruhige Heben und Senken ihrer Brust mochte nur der Tarnung dienen. Ich kannte sie besser. Es bereitete ihr einen Heidenspaß, wenn es ihr gelang, mich zu erschrecken.
Auf meinem Weg zum Fenster behielt ich das dunkle Bündel am Boden gut im Auge. Aber alles blieb ruhig. Nun gut, sie wartete wohl auf einen günstigeren Moment. Ich zog die Vorhänge zurück und ließ ein breites Lichtband über die Steinfliesen laufen. Erst jetzt erkannte ich, wo genau ich mir meine Nieren verkühlt hatte; ähnlich wie in den anderen Zimmern der Wohnung sah ich auch hier nur wenige Möbel. Natascha fühlte sich offenbar von zu vielen Tischen und Schränken eingeengt; unseren Liebesringkämpfen kam eine solche Auffassung nur zugute: ähnliches in einem Biedermeierzimmer hätte katastrophale Folgen für Mensch und Mobiliar gehabt. So gestattete mir meine Geliebte auch nur recht widerwillig, den Aktenschrank und meinen alten, klobigen Sekretär mit in die Wohnung zu bringen.
Abgesehen von einer sehr tiefen Sitzgruppe auf der rechten Seite (Warum hatten wir es nicht wenigstens bis dorthin geschafft?) mit einem ebenso niedrigen Tischchen davor, gab es in diesem Raum nichts, was vom Urzustand einer quadratisch, kalkig-weißen Höhle ablenkte. Die Wände waren dafür umso interessanter. Fast bis hinauf zur Decke liefen die langen Reihen der Regale, auf denen zahllose Gegenstände von unterschiedlicher Größe angeordnet waren. Neugierig kam ich näher. Was sich dort aus Stein, Bronze, Ton und Holz gefertigt vorfand, repräsentierte eine beachtliche Sammlung von Halbreliefs und Plastiken, denen allen ein Thema gemein war: die Darstellung von Katzen.
In jeder nur erdenklichen Variante hatten sich die Künstler bemüht, das Wesen des Tieres einzufangen. Ich sah Löwen und Panther, Tiger und Leoparde, meist jedoch gewöhnliche Hauskatzen, die spielend, schlafend, raufend, fressend, knurrend, angreifend, kletternd, schnurrend, sich gegenseitig liebend und tötend dargestellt waren. Die einfachen Formen, die aber gleichzeitig eine erstaunliche Lebendigkeit beschworen, faszinierten mich über alle Maßen. Wenn ich sah, wie Menschenhände einen Klumpen Stein oder Lehm dergestalt verwandeln konnten, dass etwas Neues, Wertvolles daraus entstand, erfüllte mich diese göttliche Gabe stets mit höchster Bewunderung. Selbst die alten Meister – und alt waren diese Gegenstände zweifellos – hatten bereits über eine ausgereifte Technik verfügt. Manche der Stücke waren nicht größer als eine Streichholzschachtel, andere wiederum maßen annähernd einen halben Meter. Ganz versunken nahm ich eine auffallend große Plastik vom Regal und betrachtete sie eingehend am Fenster, als ich endlich ein Geräusch hinter mir
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