Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bateman, Colin

Bateman, Colin

Titel: Bateman, Colin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ein Mordsgeschaeft
Vom Netzwerk:
Straßenschilder zu studieren oder
auch einzelne Häuser. Dann stieß er wieder zurück, spähte umher, umkreiste
Häuserblocks. Nach einer Weile - vermutlich als ihm endgültig klarwurde, dass
wir jedes seiner Manöver mitvollzogen -, schien er seinen Plan zu ändern und
begann, stadtauswärts zu fahren.
    Draußen auf der Landstraße gab
es für uns überhaupt keine Versteckmöglichkeit mehr. Der Wagen vor uns beschleunigte,
und wir hielten wohl oder übel mit. Als wir eine doppelspurige Schnellstraße
erreichten, überholte Alisons Entführer wie ein Henker. Gleichzeitig benahm er
sich aber merkwürdig höflich. Jedesmal, wenn er die Spur wechselte, blinkte er,
ebenso wenn er wieder einscherte. Mein Fahrer tat es ihm nach.
    Wir ließen East Belfast hinter
uns, rasten durch Syndenham und Holywood, bogen dann von der Schnells traße ab und hinauf in die Craigantlet
Hills. Die Straße verlief hier schmal und kurvenreich, mit Gräben und Hecken
auf der einen, Steinmauern und kleinen Schluchten auf der anderen Seite.
Normalerweise wird mir schon speiübel, wenn ich langsam über Bodenschwellen
rolle, aber obwohl uns hier manche Unebenheiten regelrecht in die Luft
katapultierten, schien ich plötzlich immun.
    Mein Fahrer hatte das Fenster
heruntergekurbelt und seinen Ellbogen aus dem Fenster gehängt. »Dieses beschissene
Monster bringt sie nicht mal zu sich nach Hause!«, tobte er. »Er schafft sie
raus aufs Land. Er will sie umbringen, er bringt sie verflucht nochmal um, und
dann entsorgt er ihre Leiche! Aber das werden wir sehen, das werden wir
verdammt nochmal sehen.«
    Wir fuhren so schnell, dass
der Fahrtwind durchs Fenster pfiff und dabei Pollen, Bakterien und Bienen mit
hereinwirbelte. Trotzdem musste ich nicht ein einziges Mal niesen. Noch vor
ein paar Tagen wäre ich komplett panisch gewesen - ein dahinrasender Wagen, Bakterien, offenes
Land, Bäume, Kühe, Fliegen, landwirtschaftliche Maschinen, Weizen - aber jetzt
schien mich keine dieser Gefahren sonderlich zu beeindrucken. Vielleicht
vollzog sich in meinem Körper ein längst überfälliger Wandel, eine Art
postpubertäre Pubertät, aufgrund derer ich schlagartig lange gehegte
Unverträglichkeiten überwand.
    Womöglich fiel ich aber auch
nur schleichend ins Koma, und meine Wahrnehmung war bereits völlig abgestumpft.
    Oder es war das Adrenalin.
    Oder die Liebe.
    Ich hatte nie Liebe erfahren.
Vielleicht waren das ihre Auswirkungen. Sie krempelte einen völlig um, und
plötzlich hat man weniger Schiss vor Wespen. Vielleicht hatte Chris de Burgh
ja etwas Ähnliches erlebt. Womöglich hatte auch er sich vor Bäumen, Büschen und
Streifengnus gefürchtet, bis er die Liebe fand. Oder es dreht sich gar nicht
um das Finden der Liebe, sondern um die Angst, sie wieder zu verlieren, nachdem
man sie endlich gefunden hatte; die Angst, es könnte einem weggenommen werden,
was einen auf wunderbare Weise verändert hatte. Weggenommen, geraubt und dahingemordet. Wie grausam hatte diese
Kreatur mir meine Alison entrissen. Das Monster aus dem schwarzen Laguna. Sie
lag krank und elend auf dem Rücksitz, unfähig, sich selbst zu helfen. Sie war
darauf angewiesen, dass jemand zu ihrer Rettung herbeieilte - ihr Held, ihr
Prinz. Es handelte sich zwar um einen mit leichten Charakterschwächen
behafteten Prinzen, der zunächst unüberwindliche Hindernisse - wie etwa Pollen
- aus dem Weg räumen musste, um sie zu retten; aber man hatte mich
herausgefordert, und ich würde meinen Mann stehen.
    In der Zwischenzeit durchbrach
mein Fahrer die Schallmauer.
    Jetzt, da die Jagd
gewissermaßen offiziell eröffnet war, hängte er sich dicht an unseren Vordermann. Stoßstange an
Stoßstange, bei Vollgas. Mehr als einmal schrammten wir an den Bruchsteinmauern entlang,
gelegentlich entgingen wir nur knapp dem Tod, wenn wir blind über einen Hügel
schossen und um ein Haar in einen langsam schleichenden Lastwagen oder Traktor
geknallt wären.
    Und als wir irgendwann eine
gerade, leicht abschüssige Strecke erreichten, setzte der Taxifahrer noch
einen drauf. Nur weitere zwei Minuten, und wir hätten die Hügel verlassen und
die Ausläufer von Dundonald erreicht, wo die Gefahr, ihn im dichten Verkehr zu
verlieren, sofort um das Zigfache gestiegen wäre. Ich konnte es schon vor mir sehen. Er dagegen brachte es knapp und
bündig auf den Punkt, indem er brüllte: »Jetzt oder nie, verflucht!«
    Dann trat er das Gaspedal bis zum Anschlag durch. Auf
der falschen Straßenseite jagte er neben dem Laguna

Weitere Kostenlose Bücher