Bateman, Colin
ausmachen. Sofort wies ich Jeff an, über den Zaun zu
klettern und das Objekt sicherzustellen. Natürlich hätte ich das auch selbst
tun können, doch seit einigen Tagen machte mir mein Rücken zu schaffen, was
hauptsächlich daher rührte, dass ich jede Menge unverkäuflicher Exemplare von Hannibal Rising aus dem Laden nach hinten ins
Lager geschafft hatte. Außerdem habe ich panische Angst vor Ratten, Mäusen,
Brennnesseln, Wespen, scharfkantigen Blechdosen, verrottendem Essen,
matschigen Zeitungen und Obdachlosen.
Selbstverständlich sprengen
Fingerabdruckuntersuchungen und DNA-Tests unser Budget; daher waren wir bei
der Fahndung nach dem Täter auf die Spuren angewiesen, die uns die Betrachtung
des Farbeimers mit unbewaffnetem Auge lieferte. Glücklicherweise hatte der gesuchte
Mann - beziehungsweise die Frau - nicht damit gerechnet, dass sich anderthalb
der cleversten Detektive der Stadt an seine - beziehungsweise ihre - Fersen
heften würden, folglich hatte er/sie vergessen, von dem Eimer mit
Dulux-Scharlachrot-Mattlack das Preisschild zu entfernen. Dieses verriet uns
nicht nur, dass die Farbe bei einer Großhandelsgesellschaft für Farben und
Lacke erstanden worden war - die sich in typisch irischer Untertreibung
schlicht Großhandelsgesellschaft für Farben und Lacke nannte -, zudem wurde die
Gruppe der potenziellen Verdächtigen buchstäblich mit einem Pinselstrich von
der Gesamtbevölkerung der Stadt auf ihre vielen Tausend Maler und Dekorateure
reduziert. Ging man obendrein von dem Erfahrungswert aus, dass Frauen stets den
Auftrag erteilten und Männer ihn ausführten, war weiterhin anzunehmen, dass
wir nach einem Mann suchten. Wir waren also noch keine zwanzig Minuten an dem
Fall dran, und schon zog sich das Netz um den Täter zusammen. Leider waren wir
außerstande, die Beweisaufnahme weiter fortzusetzen, da wir dringend in den
Laden zurückmussten, um für das Nachmittagsgeschäft zu öffnen. Doch alles in
allem war es eine ausgesprochen ergiebige Mittagspause gewesen.
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Noch erfreulicher wäre sie
allerdings ausgefallen, hätten uns bei der Rückkehr bereits ein paar Kunden
erwartet. Wie dem auch sei, man muss stets auf mögliche Kunden vorbereitet sein, also
drehte ich das Geschlossen- Schild um, bezahlte Jeff für seine Begleitung und
schickte ihn zurück ins College.
Nachdem ich meinen Platz
hinter der Theke eingenommen hatte, starrte ich eine Weile auf den Farbeimer
vor mir. Die Frage war: Hatte der Täter ihn im Rahmen eines gewöhnlichen
Malerauftrags für einen Kunden erworben oder einzig zu dem Zweck, sich damit
als nächtlicher Graffiti-Künstler zu betätigen? Im letzteren Fall deutete der
leere Zustand des Eimers darauf hin, dass die Farbe schon anderswo für ähnlich
ruchlose Zwecke missbraucht worden war. Ich habe nicht viele Kunden, aber die
wenigen, die ich habe - und damit meine ich diejenigen, die wirklich Bücher kaufen und nicht einfach nur drei
Minuten darin herumblättern, damit sie einen Vorwand haben, meine Toilette zu
benutzen -, also, all meine ernsthaften Kunden bilden einen bunten Querschnitt
durch sämtliche Schichten und Bevölkerungsgruppen, und das jenseits
politischer, religiöser und intellektueller Grenzen. Daher war ich
zuversichtlich, dass sie mir bei der Aufklärung der Frage helfen konnten, ob
der Serien-Schmierer schon früher zugeschlagen hatte, beziehungsweise ob er
inzwischen erneut am Werk gewesen war. Der einfachste und direkteste Weg, sie
zu erreichen, war der Kein-Alibi-Rundbrief, in dem ich sie gewöhnlich mit
einmaligen Sonderangeboten für Bücher bombardierte; Bücher, die Amazon ihnen
viel billiger bietet und schon am nächsten Tag zuverlässig liefert, ganz im
Gegensatz zu meinem altertümlichen Service, bei dem eine Bestellung manchmal
mehrere Wochen oder gar Monate dauert, in einem Fall sogar anderthalb Jahre.
Aber ich denke, meine Kunden wissen den menschlichen Touch zu schätzen. Anstatt
ein anonymes, von einer Maschine abgestempeltes Paket zugestellt zu bekommen,
das ein Bücherroboter von einem meterhohen Stapel gepflückt hat, erhalten sie
das Werk in einem zerknitterten, zerrissenen und recycelten Umschlag,
persönlich angeleckt von einem frustrierten Amnesty International-Mitglied.
So kam es also, dass ich einen
Aufruf an all meine Kunden losschickte, sie sollten ein Auge auf mögliche
Fälle haben, bei denen beleidigende Graffiti mit Dulux-Scharlachrot-Mattlack
angebracht worden waren.
Anschließend wandte ich
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