Bateman, Colin
in einer kalten Zelle auf dem Revier festhielt, ohne
Zugang zu einem Anwalt oder einem Twix. Ich hätte ihm alles in einem Schwall
beichten oder mir die Würmer einzeln aus der Nase ziehen lassen können. Doch
ich bewahrte Stillschweigen. Natürlich war es wichtig, dass die Schurken ihre
gerechte Strafe bekamen, aber fast ebenso wichtig war es, dass mir der
verdiente Ruhm nicht vor der Nase weggeschnappt wurde. Zwar machte ich mir an
sich nicht viel aus Ruhm, aber wenn es schon welchen zu verteilen gab, dann
wollte ich zumindest sicherstellen, dass ich den Löwenanteil einheimste. Immerhin
hatte ich jede Menge Arbeit gehabt, war mehrfach mit knapper Not den mörderischen
Nachstellungen von Nazis entronnen und hatte mir die Finger wund getippt, um
auf den Datenautobahnen des Internets die Wahrheit zu ermitteln. Dagegen hatte
Detective Robinson gar nichts getan, außer mir gelegentlich lauernde Blicke
zuzuwerfen.
Außerdem galt es, mein Mädchen
zu beeindrucken.
Detective Robinson war
ziemlich verärgert über meine Entscheidung, sämtliche Beweise bis zum Abend der
Buchpräsentation zurückzuhalten. Je länger ich meine Erkenntnisse vor ihm
verheimlichte, desto schwieriger wurde es, eine offizielle Ermittlung
einzuleiten, desto wahrscheinlicher wurden mögliche DNA-Spuren im Zusammenhang
mit den Morden verwischt und desto mehr stieg die Wahrscheinlichkeit, dass die
Täter sich absetzten oder sich ein Alibi verschafften. Aber ich blieb bei
meinem Vorhaben.
Man mag Agatha Christies
unzählige Romane und Erzählungen für lächerlich verstaubt und altmodisch halten,
aber die alte Dame wusste noch, wie man einen Plot einfädelt. Heutzutage dreht
sich alles nur noch um bis unter die Zähne bewaffnete Einsatzkommandos und irgendwelche
Folterpornos. Damals bestand die große Kunst vor allem darin, sämtliche
Hauptakteure in einem Raum zu versammeln und die Fakten offenzulegen, um sich
dann zurückzulehnen und auf die Auflösung zu warten. In meinen Augen gab es
keinen Grund, warum ich meine Ergebnisse nicht in ähnlicher Weise bekanntgeben
sollte; schließlich würden ausreichend Polizeikräfte in Zivil anwesend sein.
Klar, die Zeiten haben sich geändert, und zu viel Gerede kann verwirrend sein
und einschläfernd wirken - aber genau deswegen hatte ich ja beschlossen,
meine Ergebnisse in Gestalt einer PowerPoint-Präsentation an den Mann zu
bringen.
Detective Robinson, meine
geliebte Alison und Jeff waren informiert, dass an diesem Abend etwas passieren
würde, aber ich kannte als Einziger die Details. Alison bettelte mich an, sie
einzuweihen, aber nach dem traumatisch verlaufenen Versuch, ihr im Krankenhaus
von meinen Triumphen zu berichten, sagte ich mir, dass gebranntes Kind das
Feuer scheut und ich alles bis zur großen Offenbarung für mich behalten würde.
Detective Robinson insistierte zwar, verfügte aber über kein wirksames Druckmittel.
Und Jeff schien es ohnehin ziemlich gleichgültig, unter welchen Umständen er
davon erfuhr. Ich lud also die Bilder auf meinen Laptop und probte nach
Feierabend alleine meinen Vortrag. Ich projizierte die Bilder an die Rückwand
des Buchladens, aus der Geborgenheit meines Hochsicherheitsbunkers heraus und
in dem Wissen, dass draußen uniformierte Beamte patrouillierten. Man hatte mir
vierundzwanzig Stunden Polizeischutz zugesagt. Ich war wichtig. Alison hatte
man ebenfalls Schutz zugesagt, aber nicht so viel wie mir. Detective Robinson
hatte sogar angeboten, ihn auf meine Mutter auszudehnen, denn falls diese Kerle
den Braten rochen, würden sie womöglich versuchen, über sie an mich
heranzukommen. Sie konnten sie kidnappen und mir ihre Finger per Post schicken
als eine Art Warnung. Doch ich erklärte Detective Robinson, er brauche nichts
zu unternehmen, bevor sie nicht bis zum Daumen gekommen waren. Denn Daumen sind
unverzichtbar. Sie sind einer der Gründe, warum Katzen kein Omelett zubereiten
können. Außerdem war Mutter durchaus in der Lage, sich um sich selbst zu
kümmern.
Glücklicherweise hatte Alison
keine bleibenden Schäden von ihrer Verabredung mit Max Radek davongetragen.
Unfassbarerweise schickte er ihr einen Blumenstrauß und eine Grußkarte, in der
er ihr gute Genesung von ihrer Lebensmittelvergiftung wünschte und sich dafür
entschuldigte, dass er sie in ein so schreckliches Restaurant ausgeführt
hatte. Außerdem verlieh er seiner Hoffnung Ausdruck, dass sie ihm eine zweite
Chance geben würde, und zwar bald. Hatte der eine Ahnung. Die Tatsache, dass
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