Bateman, Colin
er
beides genau an dem Tag schickte, als sie ihre Arbeit wieder antrat, verriet
immerhin, dass er sie nach wie vor belauerte. Was uns beiden einen leichten
Schauer den Rücken runterjagte. Alison brachte die Blumen zu mir herüber, um
sie mir zu zeigen, und ich bekam einen kleinen Tobsuchtsanfall, weil sie ohne
weiteres mit einem tödlichem Gift hätten besprayt sein können. »Aber Interflora
hat sie geliefert«, versuchte sie sich rauszureden, und ich erwiderte düster:
»Genau deshalb.«
Nach wie vor zeigte ich ihr
ein wenig die kalte Schulter. Natürlich war ich heftigst sie verliebt, aber sie
musste lernen, dass sie nicht mit meinen Gefühlen spielen durfte. Hinter
meinem Rücken hatte sie mich mit Brian und Max betrogen, und es würde nicht
leicht für sie werden, mein Vertrauen wiederzuerlangen. Immerhin arbeitete sie
hart daran, indem sie sich in die Organisation der Buchpräsentation stürzte.
Mir kam ihre Hilfe sehr gelegen, denn ich besitze wenig Erfahrung, was die
Organisation von Partys betrifft, da ich als Kind nie eine machen durfte und
als Erwachsener zu höchstens einer Handvoll eingeladen gewesen war. Mein
Wissen über die richtige Auswahl von Kuchen, Stühlen, Getränken oder Kanapees
war kläglich und meine Erfahrungen in Sachen Buchpräsentation noch kläglicher.
Eine der vielen angenehmen Begleiterscheinungen des nordirischen Terrorismus
war es, dass in dieser Region des Landes über mehr als dreißig Jahre hinweg
keine Krimis geschrieben worden waren. Vermutlich gab es einfach zu viele
andere Themen, die den Leuten auf den Nägeln brannten. So was wie einen
gewöhnlichen Mord aus Habgier und Eifersucht gab es in dieser Gesellschaft
nicht; er hatte immer mit irgendeiner politischen Organisation oder einer
Religionsgemeinschaft zu tun. Nie fand man eine simple Leiche in der Bibliothek, stattdessen diverse, über
Gehwege und Gebäudefassaden versprengte Leichenteile diverser Personen.
Angesichts des alltäglichen realen Horrors verspürten Schriftsteller nur wenig
Lust, das Erlebte in Form von Kriminalliteratur aufzuarbeiten. Außerdem
bestand ein deutlicher Mangel an Interesse seitens der Leser: Wenn man morgens
aus der Haustür trat und ein britischer Soldat mit dem Gewehr im Anschlag im
Vorgarten kniete, dann war das Letzte, was man lesen wollte, ein Krimi, in dem
ein britischer Soldat mit dem Gewehr im Anschlag im Garten des Helden kniete.
Wenn die Leute einen Krimi lesen wollten, dann einen, der sie in exotische
Gefilde entführte, und das bedeutete amerikanische Autoren. Wenn sie dann irgendwann
die ganzen sogenannten großen Namen aus den Regalen der Supermärkte abgegrast
hatten, verirrte sich der eine oder andere auch in das Nirwana des
Kein-Alibi-Buchladens. Ich hatte von den Zeiten der Unruhen enorm profitiert,
und ich bedauerte ihr Ende, denn das Geschäft lief danach nie wieder so gut.
Wie auch immer, dieser totale Mangel an hiesigen Autoren hatte jedenfalls zur
Folge, dass ich so gut wie nie gebeten worden war, eine Buchpräsentation
auszurichten. Also musste ich mich auf Alisons Organisationstalent verlassen,
wobei ich sie gelegentlich mit spärlichem Lob bedachte, um sie bei Laune zu
halten.
Die ersten Exemplare des Buchs
trafen am Morgen der Party ein. Eher desinteressiert blätterte ich darin herum
- schließlich drehte sich der Abend nicht wirklich um das Buch, sondern vor
allem um mich und um das, was ich herausgefunden hatte. Alle wichtigen
Hauptakteure waren eingeladen, und ich war mir einigermaßen sicher, dass sie
auch erscheinen würden. Wenn nur einer von ihnen absagte, indem er eine Migräne
oder einen unaufschiebbaren Termin vorschützte, wäre dieses sorgsam eingefädelte
und ausgeklügelte Ereignis wie ein Kartenhaus in sich zusammengebrochen. Die
Ankündigung »Soundso konnte heute Abend leider nicht persönlich anwesend sein,
aber ich werde die Mordanklage an seiner Stelle entgegennehmen«, hätte eine
ziemliche Antiklimax bedeutet. Das Buch war ganz hübsch aufgemacht, doch als
ich versuchte, das erste Kapitel zu lesen, fand ich es so schal wie
Abwaschwasser. Auch wenn Daniel es vor seinem gewaltsamen Ableben nicht
versäumt hatte, mich mit einer Liste wichtiger Persönlichkeiten der Musikszene
zu versorgen, an die dann auch tatsächlich Einladungen verschickt worden
waren, so musste ich doch in den wenigen Tagen unmittelbar vor der Präsentation
die Liste erneut durchgehen und viele von ihnen wieder ausladen. Das Kein Alibi
ist keine große Buchhandlung, und ich
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