Bateman, Colin
war ein
alter Mann in kariertem Bademantel. Er war Hyman Roth in Der Pate: Teil II, nach außen hin ein harmloser
Opa in den Siebzigern, in Wahrheit ein grausamer Mafiaboss.
Ich lehnte den Kopf an die
Klotür. Ich schwitzte aus allen Poren. Es war unmöglich zu sagen, ob infolge
des Erbrechens, oder ob es bereits das Gift war, das wirkte. Womöglich
blieben mir nur noch zwanzig Minuten, um weiterzugeben, was ich über den Fall
wusste; wenn es gut lief, mein ganzes Leben.
Konnte es sein, dass Hyman,
während ich hier saß, in Alisons Abteil eindrang und sie mit dem Kissen
erstickte?
Ich stolperte aus der Toilette
und zurück ins Wartezimmer.
Keine Spur von Hyman.
Panisch eilte ich zu Alisons
Abteil - und war erleichtert, sie friedlich schlafend vorzufinden. Erschöpft
brach ich auf dem Stuhl neben ihrem Bett zusammen. Ich betrachtete sie. Sie
hatte meine Welt auf den Kopf gestellt, auf völlig unerwartete Weise. Ich
dachte daran, wie die Sache wohl ausgegangen wäre, hätte ich nicht auf die Unterstützung
meines psychopathischen Taxifahrers zählen können; und was geschehen wäre,
hätte es sich tatsächlich um einen Killer und nicht um ihren Exmann gehandelt;
oder wenn Max mich vor dem Kein Alibi abgehängt und ihr Versuch, ihren Wert
als Privatdetektivin zu beweisen, ihr lediglich einen Platz auf dem harten,
kalten Stahl des Seziertischs beschert hätte.
Es hatte eine Reihe von Morden
gegeben, aber keiner davon war mir sonderlich nahegegangen. Dieser Anschlag auf
Alison war jedoch etwas ganz anderes. Diesmal traf es mich persönlich. Und dass
sie noch am Leben war, bedeutete noch lange nicht das Ende der Gefahr. Es
würde einen weiteren Anschlag geben und dann noch einen, bis alle in den Fall der jüdischen Musikanten Verwickelten ausgelöscht waren.
Wenn jetzt nichts geschah, würden die Ereignisse eskalieren. Indem ich den Fall
gelöst hatte, hatte ich bereits bewiesen, dass die Feder beziehungsweise die
Computertastatur mächtiger war als das Schwert. Aber das bedeutete noch lange
nicht, dass die Schuldigen deshalb gleich die Hände hoben und sich ergaben. Die
Informationen mussten weitergereicht, ermittlungstechnisch untermauert und
schließlich juristisch wirksam werden. Und wenn ich keinen Weg fand, mich
innerhalb weniger Stunden in eine Art Ninja-Kämpfer zu transformieren, waren
wir wehrloses Freiwild. Ich brauchte Hilfe.
Ich musste mein lebenslanges
Misstrauen überwinden und mein Vertrauen in jemanden setzen, der die Macht
hatte, etwas zu bewegen.
Ich kehrte ins Wartezimmer
zurück und steuerte auf das Münztelefon zu. Ich wählte die Nummer. Ich erinnere
mich an die meisten Nummern, die ich einmal benutzt habe. Nach dem dritten
Klingeln wurde abgehoben.
»Ich möchte gerne Detective
Robinson sprechen«, sagte ich.
»Einen Moment, bitte.«
Während ich wesentlich länger
wartete als einen
Moment, wanderte
mein Blick die Stuhlreihe entlang, auf der die Knochenbrüche, die Platzwunden
und die lebensgefährlichen Vollräusche, all die übel zugerichteten Überlebenden
einer typischen Belfast-Nacht hockten, bis meine Augen an einer aufrecht
stehenden Gestalt hängen blieben, die mit verschränkten Armen an einer Säule
lehnte und mich fixierte.
»Detective Robinson«,
stammelte ich, »wie zum Teufel haben Sie das hingekriegt?«
Er erklärte mir, ich sei ein
ahnungsloser Narr, und ich hätte keine Ahnung, mit was ich es hier zu tun
hätte. Worauf ich entgegnete, ich sei kein ahnungsloser Narr, und ich wisse
sehr wohl, mit was ich es zu tun hätte, nur dass ich nicht über die Mittel
verfügte, damit fertigzuwerden; außerdem sei es ohnehin gut möglich, dass er
bis zum Hals in die Verschwörung verstrickt und seine ganze Besorgnis nur
geheuchelt sei, und vielleicht sei er in Wahrheit ja von Max Radek oder seinem
Vater oder seinem Bruder geschickt worden, um mich zu erledigen, woraufhin er
erwiderte: »Von was, zum Henker, reden Sie denn da?«
Ich warf ihm einen Blick zu,
der besagte: Das
wissen Sie ganz genau.
Und er warf mir einen Blick
zu, der besagte: Von was, zum Henker, reden Sie denn da?
Dann knurrte er: »Ich lasse
Ihren Arsch augenblicklich ins Revier verfrachten.«
»Ich werde nicht lebend dort
ankommen«, erwiderte ich.
»Auf welchem Planeten leben
Sie eigentlich?«, wollte er wissen.
»Auf einem ähnlichen wie Sie«,
antwortete ich, »nur nicht ganz so schmutzig.«
»Haben Sie sich was
eingepfiffen?«
Ich funkelte ihn wütend an. Im
Gegenteil, ich hatte mir nichts
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