Bateman, Colin
gefahren? Ist
dort irgendwas passiert? Ich bin so verwirrt, ich kann nicht mehr...«
»Du musst dich ausruhen«,
unterbrach ich sie. »Morgen ist noch viel Zeit, alles zu erklären.«
Alison nickte schwach. Sie
kuschelte sich zurück in ihr Kissen. »Ruhe ... ja... aber geh nicht weg.«
»Ich bleibe hier«, erklärte ich.
Hier, oder in Bolivien.
41
Ich hockte im Wartezimmer und
mampfte nervös meine Nüsse. Ich war aufgewühlt und tief besorgt, obwohl das
Ganze nicht meine Schuld war. Brian lag im Operationssaal, kämpfte, soweit ich
wusste, um sein Leben, und das alles nur, weil Alison den Kardinalfehler
begangen hatte, niemandem mitzuteilen, dass sie ihn in den Fall mit einbezogen
hatte. Also hatte das Ganze absolut nichts mit mir zu tun. Er war von einem Taxifahrer
zusammengeschlagen worden, der vermutlich ein paarmal zu oft Taxi Driver gesehen hatte. Brian war das
bedauerliche Opfer eines irrtümlichen Beschusses durch die eigenen
Streitkräfte. Jetzt, wo ich so darüber nachdachte, überraschte mich seine
Körpergröße, und mir war schleierhaft, wieso Alison, wo sie nun mich als Liebhaber
hatte, jemals einen Mann seiner Statur hatte anziehend finden können.
Vielleicht machten alle Frauen diese Phase durch, in der sie Muskeln dem
Verstand vorzogen. Aufgrund der wenigen kurzen Blicke, die ich auf ihn erhascht
hatte, hatte ich gefolgert, dass er nicht mal die nötige Intelligenz zum Binden
seiner Schnürsenkel besaß. Wobei das Problem inzwischen mehr darin bestand,
dass er dazu vielleicht nie wieder Gelegenheit haben würde.
Es war so typisch für mein
Leben, dass ausgerechnet im Moment meines größten Triumphes, in dem ich eigentlich
auf Schultern hätte herumgetragen werden müssen, weil ich den Fall gelöst und
die Ausschaltung eines Schurken beaufsichtigt hatte, mir dieser madig gemacht
wurde. Anstatt in Selbstgerechtigkeit schwelgen zu können, im Sieg des Guten
über das Böse, hockte ich im Wartezimmer eines Krankenhauses, kaute auf den
Nüssen eines alten Mannes herum und fragte mich, ob der blutige Händedruck des
Taxifahrers wohl Brians DNA auf mich übertragen hatte und ob mir irgendein
zynischer Cop daraus einen Strick drehen und mir einen versuchten Mord in die
Schuhe schieben könnte. Wir Freischaffenden hatten nie allzu gute Karten bei
den Hütern von Recht und Ordnung. Trotzig sperren sie sich dagegen, dass man
ihnen vorführt, wie man es richtig anpackt. Verzagt schüttelte ich den Kopf.
Es war erstaunlich, wie schnell die Dinge sich ins Gegenteil verkehren konnten.
Einen Moment hieß es noch Der Richter bin ich und im nächsten schon Ich, der Sündenbock.
Der ältliche Schlaganfallpatient
kehrte ins Wartezimmer zurück, entdeckte mich, und obwohl ich demonstrativ
wegblickte, schlurfte er herbei, um sich neben mich zu setzen.
»Immer noch da?«, fragte er.
»Sieht so aus«, erwiderte ich.
Ich seufzte. Dann hielt ich
ihm seine Tüte mit Nüssen hin.
Er schüttelte den Kopf. »Hab
doch gesagt, ich mag die Dinger nicht. Die Schokolade war allerdings nicht
schlecht.«
»Wie bitte?«
»Ich hab die
Schokoladenumhüllung abgelutscht und sie dann wieder zurück in die Tüte. Ich
hasse es, Essen verkommen zu lassen.«
Einen Moment lang nickte ich,
dann erhob ich mich wortlos und rannte auf die Toilette, wo ich mich übergab.
Ich verbrachte etwa eine
Stunde auf dem Klo. Ebenso gut hätte er mir seinen hochgeräusperten Auswurf injizieren
können. Schätzungsweise hatte ich mir auf einen Schlag Diabetes, ein
Lungenemphysem, Malaria und Pocken eingefangen. Die Staphylokokken und die
Clostridium-difficile-Keime, die ich mir zuvor eingehandelt hatte, beschwerten
sich vermutlich schon wegen Überbelegung. Ich war todgeweiht. Ich war Frank
Bigelow in D.O.A. Ich würde
aufs Revier marschieren und erklären: »Ich möchte einen Mord melden.«
»Wer ist ermordet worden?«,
würden sie fragen.
»Ich.«
Nur war ich kein Opfer einer
kriminellen Verschwörung. Mich hatte Alte-Männer-Spucke erledigt.
Oder womöglich doch? Ich
meine, vielleicht handelte es sich tatsächlich um eine Verschwörung. Was, wenn
sie den Alten undercover reingeschickt hatten, um mich zu vergiften? Denn warum
hatte er ausgerechnet mich ausgewählt, wenn es jede Menge möglicher Kandidaten
gab, denen er seine Nüsse hätte zustecken können? Max Radek war meinen Spuren
bis zum Krankenhaus gefolgt und hatte einen diabolischen Plan ausgeheckt, um
mich zu vernichten. Der Hüne Brian war gar nicht der Attentäter, es
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