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Bateman, Colin

Bateman, Colin

Titel: Bateman, Colin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ein Mordsgeschaeft
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verfehlt. Ebenso gut hätte ich niemals existieren können.
    Ich hasse voreingenommene
Menschen.
    Natürlich hätte ich ihm unter
die Nase reiben können, dass auch wir jedes Jahr unseren eigenen Kalender herausgeben.
Und wenn er sich die Mühe gemacht hätte, ihn durchzublättern, wäre er in den
Genuss einer wunderbaren, spiralgebundenen Geschichte der Kriminalliteratur
gekommen, in übersichtlichen Kapiteln und mit perfekt reproduzierten
klassischen Einbänden: angefangen bei dem wohl ersten romanpolicier (Emile Gaboriaus Le Crime d'Orcival) und den Yellow Back Crime
Fighters (wie etwa Mary Paschal in Experiences of a Lady Detective von 1861). Er hätte etwas
lernen können über den erst zwanzigjährigen Schullehrer Edward Ellis, der im
selben Jahr 600 000 Exemplare von Seth ]ones verkauft hatte, einen der ersten Groschenromane. Ihm
wäre bewusst geworden, mit wie vielen Rivalen Sherlock Holmes sich seinerzeit
herumschlagen musste - Sexton Blake, Craig Kennedy, Martin Hewitt und Baroness
Orczys Skin
0' My Tooth. Er
hätte die Wahrheit über Dashiel Hammetts Continental Op und seinen Zeitungscomic »Secret Agent X-9« erfahren,
sowie darüber, dass Raymond Chandler Mickey Spillanes Ich, der Richter als Schundliteratur übelster
Sorte beschimpft hatte, und das, obwohl sich das Buch über vier Millionen Mal
verkauft hatte; dass James M. Cains Wenn der Postmann zweimal klingelt von der Bostoner Polizei wegen
Obszönität beschlagnahmt worden war, sowie von fantastischen und
stimulierenden Titeln der schwarzen Serie wie Lady - Here's your Wreath,
Kiss my Fist, Road Floozie, Night and the City, Now Try the Morgue, Murder Thy
Neighbour... oh,
ich hätte ihm eine ganz neue Welt eröffnen können, aber es war aussichtslos,
denn seine Scheuklappen saßen unverrückbar fest.
    »Okay«, nahm ich den Faden
wieder auf, »Sie sind also Verleger. Aber wir verkaufen hier nicht Ihre Art von
Büchern.«
    »Es dreht sich nicht um
Bücher«, entgegnete er, »sondern um Ihren Freund nebenan.« Ach.
    Er war nicht der Erste, der
hier freundschaftliche Bindungen unterstellte, und vermutlich auch nicht der
Letzte. Doch ich fand es müßig, ihn aufzuklären.
    »Was ist mit ihm?«
    »Ich hab ihn bezahlt, im
Voraus. Und jetzt hat er sich aus dem Staub gemacht. Sie müssen mir sagen, wo
er steckt.«
    »Ich habe keine Ahnung, wo er
steckt. Außerdem sollte man für Dienstleistungen prinzipiell nicht im Voraus
zahlen.«
    Er fixierte mich mit einem
Blick, in dem sich eine Mischung aus Ärger und Verzweiflung spiegelte. »Mir blieb
gar nichts anderes übrig«, entgegnete er. »Er verlangte das Geld für den Flug.
Natürlich hätte ich ahnen müssen, dass da was faul war. Ich meine, wie
heruntergekommen muss ein Geschäft sein, wenn sich sein Inhaber nicht mal mehr
ein Flugticket nach Frankfurt leisten kann?«
    »Frankfurt?«
    Vermutlich war das der Punkt,
an dem ich unaufhaltsam in die Sache hineingezogen wurde. Die klassische, mit
Honig bestrichene Fliegenfalle. Noch hatte er kein Wort über den Fall gesagt,
doch das Aroma von geheimnisvollen Verschwörungen und die Aussicht auf internationale
Reisen lagen bereits in der Luft. Er schüttelte den Kopf und seufzte. Sein
Gesicht war leichenblass, und an seinen Schläfen pulsierten hervorstehende
Adern. Offensichtlich war er zutiefst aufgewühlt. Wie es der Zufall wollte,
betrat genau in diesem Moment Jeff den Laden, um die Mittagsschicht zu
übernehmen - auch wenn ich ein wenig verwundert war, dass er überhaupt
auftauchte. Denn ehrlich gesagt hatte es mich ziemlich erstaunt, dass er meine
Ankündigung, ich könne ihm in den Sommermonaten, in denen so wenig Kunden
kamen, nur die Hälfte seines normalen Lohns zahlen, so anstandslos geschluckt
hatte. Wobei es immer noch hundert Prozent mehr sind als das, was er bei seiner
Arbeit für diese hoffnungslosen Idealisten von amnesty kriegt; und wenigstens
muss er für mich keine Protestplakate schleppen oder so tun, als verstünde er
Spanisch. Also wies ich ihn rasch an, die Kasse zu übernehmen und ein Adlerauge
auf den Juwelierladen gegenüber zu haben, bevor ich den Verleger von
Belfast-Bücher in den rückwärtigen Teil des Ladens geleitete. Dort habe ich
eine gemütliche Ecke eingerichtet, mit einem Sofa und zwei Sesseln, die ich vor
einem der jährlichen Freudenfeuer anlässlich des protestantischen Sieges bei
der Schlacht von Boyne gerettet hatte; glücklicherweise hat sich der
Benzingeruch inzwischen verflüchtigt. Meine Kunden können hier in Ruhe

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