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Bateman, Colin

Bateman, Colin

Titel: Bateman, Colin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ein Mordsgeschaeft
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Mal
verliebt, er ist schwul ... Mann mit Kappe, sieht man heute nicht mehr, diese
Kappen, er sehnt sich nach der Vergangenheit...«
    »Sehnen! Gutes Wort!«
    »... Mann mit Aktenkoffer, was
macht er damit an einem Samstag? Er hat seiner Frau gesagt, er muss zur Arbeit,
aber er hat eine Affäre, er will sie treffen in der ... Junge auf Fahrrad, aber
er hat sein Schloss vergessen, er überlegt, ob es sicher ist ... maskierte
Bewaffnete, die gerade meinen Juwelierladen betreten...«
    Alle rissen die Köpfe herum
zum rechten Schaufenster.
    »Reingelegt!«, grinste
Allison.
    Niemand wagte zu lachen.
    »Das ist kein Spiel!«,
donnerte Brendan.
    »Ich dachte, es ist ein ...«
    »Beim dritten Regelverstoß
sind Sie draußen, also weiter!«
    Draußen wurde es betriebsamer.
    »Mann ... Frau ... kannten
sich schon als Kinder, aber er hat sein Haar verloren, und sie kann nicht
aufhören, seine Glatze anzustarren ... cooler Typ, könnte als Männermodel
arbeiten, weiß das auch ... aus dem Weg, macht Platz, ich bin der absolute
Checker ...«
    »Amerikanischer Slang,
zweimal, Sie sind faul. Zweiter Verstoß!«
    »Lotterieschein, aber Loch in
der Hose, das ist seine letzte Chance, er begeht Selbstmord, wenn er nicht...
alte Freundinnen haben sich wiedergetroffen, die eine hat Angst zu fragen, ob
die andere schwanger ist, vielleicht ist sie nur fett geworden ... der Hund
passt nicht zu seinem Besitzer... man sieht nicht allzu viele schwarze
Gesichter in Belfast... lass deinen Abfall nicht fallen, würdest du zu Hause
auch nicht tun ... doch tust du ... Sonnenbrille an einem bewölkten Tag, sie
hat Migräne, muss aber Ware ausliefern... Hutschachtel, Tochter heiratet...
alter Krüppel versucht die Straße zu überqueren ...«
    »Dritter Verstoß und draußen!«
Brendan wandte sich von ihr ab und an die übrigen Studenten. »Wie wir in den
vorangegangenen Wochen gelernt haben, besteht das Geheimnis darin, sich nicht
zu gestatten ...«
    »Entschuldigung?« Das kam von
Alison, die noch immer zum Fenster gewandt dasaß, nun aber den Kopf drehte.
»Warum bin ich draußen?«
    Brendan lächelte ungeduldig.
»Wo soll ich anfangen? Undisziplinierte Sprache, Alliterationen, Verwendung sozialer
Stereotypen...«
    »Stereo... was?«
    »Krüppel. Sie können eine
Person nicht als Krüppel bezeichnen.«
    »Warum nicht?«
    »Es ist politisch nicht
korrekt und sozial inakzeptabel.«
    »Jemanden einen alten Krüppel
zu nennen?«
    »Ja! Und das ist sogar noch schlimmer.
Bitte verlassen Sie den Autorenstuhl. Vielleicht hat jemand anders Lust...?«
    Sämtliche Hände schossen nach
oben. Ich hatte sie in den vergangenen Wochen beobachtet, und keiner von ihnen
konnte Alison das Wasser reichen. Wenigstens hatte sie Humor bewiesen. Und
jetzt rührte sie sich nicht von ihrem Platz. Sie blieb einfach sitzen und
starrte aus dem Fenster.
    »Alison. Geben Sie den Stuhl
frei.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Das
ist nicht fair. Sie wollten, dass ich beschreibe, was ich sehe. Ich hab einen
Krüppel gesehen. Mit diesem Ausdruck beweise ich einen differenzierten
Wortschatz.«
    Brendan hob eine Augenbraue.
»Was wissen Sie denn schon, Sie kleine Comic...« Er unterbrach sich. »Sie
hatten Ihre Chance, und nun geben Sie bitte den Stuhl frei. Vielleicht können
wir im Anschluss gemeinsam einen Kaffee trinken, und dann kann ich Ihnen etwas
darüber erzählen, in welchem Kontext es angemessen oder unangemessen ist,
jemanden einen Krüppel...«
    »Krüppel«, schnappte Alison.
»Er sitzt in einem Rollstuhl. Er kann nicht laufen.« Sie bugsierte den Barhocker
herum, bis sie Brendan und der Klasse zugewandt saß. »Er ist durch einen Unfall verkrüppelt worden. Er
hat fünfundvierzig Jahre lang auf der Werft von Harland und Wolff geschuftet,
im Schatten der mächtigen Doppelkräne Samson und Goliath. An dem Tag, als die
Werft für immer ihre Pforten schloss und damit die ohnehin schon verblassten
Erinnerungen an die glorreichen Zeiten der Titanic endgültig in Vergessenheit
versanken, transportierten sie alte Stahlträger; einer stürzte herab und
zertrümmerte ihm die Wirbelsäule. Er verbrachte acht Monate im Krankenhaus,
fest entschlossen, wieder gehen zu lernen, aber vergebens. Er hat hart darum
gekämpft, sein Schicksal zu akzeptieren. Er redet von sich selbst nicht als
Person mit Mobilitätseinschränkungen oder als Rollstuhlfahrer; er bezeichnet
sich selbst als Krüppel, weil dieser Unfall ihn verkrüppelt hat, nicht nur
seinen Körper, sondern auch seinen Geist. Sein

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