Bateman, Colin
Turteltauben.«
»Ein Verbrechen aus
Leidenschaft vielleicht?«
»Auf keinen Fall. Nicht
Daniel.«
»Jeder ist zu so etwas
imstande, wenn man ihn nur weit genug treibt. Vielleicht hatte sie ja eine
Affäre mit einem der Dichter in ihrem Landhaus. Das soll eine ziemlich sexgeile
Bande sein. Außerdem haben Lyriker wahnsinnig viel freie Zeit. Ich meine ...
Gedichte; die Dinger haut man doch in einer Stunde raus.«
Brendan schüttelte den Kopf.
»Poesie ...« Aber dann besann er sich eines Besseren. Und nach einem weiteren
Schluck Wein, den er mit Kennermiene im Mund her umspülte - angesichts der
Herkunft des Getränks fand ich seine Kenntnisse gelinde gesagt zweifelhaft -,
trat ein entrückter Ausdruck in seine Augen. »Wissen Sie«, fuhr er nach dieser
peinlichen Kunstpause fort, »so eine war Rosemary nicht. Sie war schön,
freundlich und nur eine winzige Spur kokett. Und sie hatte das gewisse Etwas.
Sie war witzig, intelligent und einfühlsam. Um die Wahrheit zu sagen, ich habe
mich selbst mal in sie verguckt. Eine Menge Rotwein war im Spiel, und ich habe
mir tatsächlich eingebildet, sie sei an mir interessiert, allerdings hat sie
mir den Kopf schnell wieder zurechtgerückt. Ich war so fasziniert von ihr, dass
ich meine Gefühle sogar Daniel offenbarte. Und er hatte absolutes Verständnis
dafür. Damals hat er mir erklärt: >Brendan, du musst wissen, alle Welt ist in Rosemary verliebt, sie
ist einfach fantastisch<. Offensichtlich hat oder hatte Daniel eine ganz
besonders geartete Beziehung zu ihr. Eine, die ihn nie eifersüchtig werden
ließ, sondern ihm die Gewissheit gab, dass seine Frau den Versuchungen durch
ihre Künstlergäste nicht nachgeben würde, egal, wie international renommiert
sie auch waren.«
»Vielleicht hat Daniel einfach
einen überdurchschnittlich langen Schwanz«, schlug ich vor, nur um im nächsten
Moment schockiert zu verstummen. Auch Brendan war wie vor den Kopf geschlagen.
Im Nachhinein kann ich zu meiner Verteidigung lediglich vorbringen, dass es
sich um eine Art Abwehrmechanismus gehandelt haben muss. Ich meine, da erzählt
mir ein Mann, den ich kaum kenne, von seinen persönlichen Beziehungen und
intimsten Regungen, und ich fühle mich wie gelähmt. Schließlich hatte ich ihn
doch lediglich gefragt, ob Daniel vielleicht seine Frau um die Ecke gebracht
hatte. Deswegen musste er mir noch lange nicht seine lächerlichen Verführungsversuche
beichten. Es gibt angemessene Zeiten und Orte für solche Offenbarungen. Etwa
das eigene Sterbebett. Aber doch nicht das Kein Alibi an einem Samstagvormittag,
wenn gleichzeitig noch zwei echte Kunden und ein Ladendieb mithören.
Trotzdem, ich muss zugeben,
seine Äußerungen ließen mein Interesse an dem Fall wieder aufflackern. Daniel
war eher zurückhaltend gewesen, als es darum ging, die offenkundigen Reize
seiner Frau zu schildern. Rosemary war unzweifelhaft ein »heißer Feger«, wie
Jeff es formuliert hatte und wie ihr Foto belegte. Und Brendans Berichten
nach zu urteilen, umschwirrten sie die Männer wie die Motten. Zwei Worte kamen
mir spontan in den Sinn: Femme fatale. Dieser Begriff eröffnete mir einen unbegrenzten
Horizont neuer Möglichkeiten. Entgegen Brendans und Daniels Versicherungen,
sie sei nicht verführbar, ging ich natürlich vom Gegenteil aus. Sie hatte
Brendan nur deshalb zurückgewiesen, weil er ein Schwachkopf war, und sie betrog
Daniel, weil er zu naiv war, es ihr zuzutrauen. So ticken diese Frauen. Eine
Femme fatale empfindet die Ehe als Fessel, sie verlangt nach Liebe und Leidenschaft,
und sie verwendet all ihre angeborene List und erotische Ausstrahlung darauf,
ihre Unabhängigkeit wiederzugewinnen. Flackernde Schwarzweiß-Bilder durchzuckten
meinen Kopf. Phyllis Dietrichson, die in Frau ohne Gewissen wie ein Raubtier hinter
Gittern lauert; Rip Murdoch, der sich in Späte Sühne laut wünscht, er könnte Frauen auf Taschenformat
schrumpfen, um sie wegzustecken und im Gebrauchsfall wieder zu vergrößern.
Rita Hayworth, die in Gilda und Die Lady von Shanghai beim Gehen die Hüften
schwingt; der Schnitt ihrer Kleider, ihre Worte, ihre Gesten, ihr magisches
Talent, die Kamera auf sich zu ziehen; Velmas Beine in Murder My Sweet und Coras in Wenn der Postmann zweimal
klingelt.
Rosemary war erotisch, sie war
verlockend, sie war eine Männerfalle. Sie war zu glamourös für Banbridge, zu
glamourös für Belfast. Sie agierte nicht lokal, sie agierte international. Und
falls sich irgendwann doch herausstellen sollte, dass sie
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