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Bateman, Colin

Bateman, Colin

Titel: Bateman, Colin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ein Mordsgeschaeft
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ich war mit Comics
aufgewachsen, und obwohl ich sie nicht im Laden verkaufte, hatte ich ein
gewisses Interesse daran beibehalten, das ich nun wieder zu vertiefen gedachte,
wenn es uns zu einer Gemeinsamkeit verhalf. Ich gab Alison und Comics bei Google ein, in der
Hoffnung, mit weiteren Hinweisen und Tausenden von Links über sie versorgt zu
werden; jagte mir damit jedoch nur selbst einen gewaltigen Schreck ein - denn
die einzige Comic-Künstlerin mit dem passenden Vornamen war eine Lesbierin
namens Alison Bechdel, die (in gewissen Kreisen) berühmt war für den Strip Lesben, die keinen Spaß
verstehen. Weitere
Recherchen ergaben allerdings, dass sie bereits seit 1983 »Lesben« zeichnete,
weswegen meine Alison aus Altersgründen nicht in Frage kam. Außerdem war
Bechdel Amerikanerin. Natürlich bedeutete das noch lange nicht, dass meine Alison keine Lesbierin war. Diese
Möglichkeit bestand nach wie vor. Schließlich hatte ich nie einen Freund vor
dem Laden herumlungern sehen, der sie zum Mittagessen oder nach der Arbeit
abholte. Und auch als ich im Kino einmal direkt hinter ihr saß, war sie ganz
alleine. (Hellboy
- ihre
Begeisterung für Comics hätte mir auch damals schon auffallen können.) Dennoch
- eine ausgeprägte Neigung zum gleichen Geschlecht hatte ich bisher nie an ihr
bemerkt, zudem war dieses Phänomen in Belfast noch längst nicht so in Mode wie
anderswo. Nein, meine Alison war eine Künstlerin; vielleicht waren ja ihre Comics bisher
nicht veröffentlicht, oder sie zeichnete nur zu ihrem Privatvergnügen, oder
vielleicht arbeitete sie unter einem Pseudonym, oder womöglich ...
    An diesem Punkt gab mein
Computer ein leises Ping von sich. Eine E-Mail von Daniel Trevor war
eingetroffen, und im Anhang fand sich eine detaillierte Aufstellung von
Rosemarys Terminen in Frankfurt, sowie Titel und Inhaltsbeschreibung der
Bücher, die sie dort an den Mann bringen wollte. Selbstverständlich schenkte
ich seiner Nachricht keinerlei Beachtung, bis Alison um halb sechs den
Juwelierladen verließ. Vorsichtshalber senkte ich das Fernglas, während sie
sich von ihren Kolleginnen verabschiedete. Auch diesmal überraschte es mich
wenig, dass sie nicht zum Kein Alibi herüberspähte. Selbst wenn sie es getan
hätte, hätte sie mich lediglich dabei ertappt, wie ich eifrig auf meinen PC
starrte und so tat, als sei mir ihr Kommen und Gehen völlig gleichgültig,
während ich in Wahrheit über eine auf ihren Laden gerichtete Webcam jede ihrer
Bewegungen verfolgte.
    Nachdem sie gegangen war und
ich den Buchladen von innen abgeschlossen hatte, hockte ich mich im Halbdunkel
vor meinen Computer und öffnete endlich Daniels Mail. Mein Fachgebiet sind
Bücher und nicht Menschen - definitiv nicht -, also nahm ich mir zunächst die
Liste der Bücher samt Kurzzusammenfassungen vor, um zu sehen, ob mich das
vielleicht weiterbrachte. Alles, was ich wissen musste, konnte ich bereits den
Titeln entnehmen. Sie lauteten:
     
    Die
Belagerung von Derry
    -             von Dr. David Wilson
     
    Sie
war intakt, als sie uns verließ: Der Bau der Titanic
    -             von Michael Mercer
     
    Eine
kurze Geschichte des Belfast Orchestra
    -             die Autobiografie von Anne
Smith
     
    Reden
über Verständigung: der Friedensprozess in Nordirland
    -             von Andrew Capper
     
    Mir wurde sofort klar, dass
Brendans Behauptung, lokale Themen fänden in anderen Ländern keinen Markt, ziemlich
borniert war. Mich selbst hätten zwar vermutlich alle vier Titel sofort in
Tiefschlaf versetzt - aber wieso sollten sie im Ausland nicht auf ein gewisses Interesse stoßen. Die Titanic - das ging ja wohl immer. Die
Belagerung Derrys - Krieg und Historie, warum nicht. Ein erfolgreicher Friedensprozess,
auf den die ganze Welt neiderfüllt blickt, ein Musterbeispiel für andere
Konflikte? Definitiv ein Thema. Das einzige Buch, bei dem ich mir nicht ganz
sicher war, war Eine kurze Geschichte des Belfast Orchestra - aber nur, weil ich so gut wie
gar nichts über Musik oder darüber wusste, ob Nordirland auf internationaler
Ebene irgendetwas dazu beigetragen hatte. Möglich war es aber immerhin.
    Anschließend widmete ich mich
Rosemarys Terminkalender, der in der Tat ziemlich vollgestopft war. Als ich
ihn durchging, fiel mir rasch auf, dass es einen Verlag gab, Bockenheimer, mit
dem sie sich täglich getroffen hatte. Für jeden ihrer Termine hatte sie sich
exakt dreißig Minuten Zeit genommen, von 8.30 Uhr morgens

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