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Bateman, Colin

Bateman, Colin

Titel: Bateman, Colin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ein Mordsgeschaeft
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morgens
nach dem Duschen nicht immer gleich die Brille aufsetzte, in Wahrheit kein
Deodorant auf meinen dampfenden Körper gesprayt hatte, sondern
Fensterreiniger.
    Kleine Triumphe wie dieser helfen
mir über schwierige Zeiten hinweg.
    Allerdings funktionierte das
in diesem Fall nicht so einfach. Da meine Träume von Liebe, Heirat oder gar
einer festen Freundin in Scherben lagen, erschien mir das Geschäft plötzlich
trist und öde. Jeff, der nie ein wirklicher Trost war, gab sich sogar betont
vergnügt, als er meine niedergeschlagene Miene bemerkte, und ich wusste auch
genau, warum. Natürlich gab ich keinerlei Details über mein Treffen mit Alison
preis. Und er fragte auch gar nicht erst. Er wusste, dass es eine Katastrophe
gewesen war. Ich war kurz davor, ihn wegen vorsätzlicher Hinterhältigkeit zu
feuern. Aber dann erinnerte ich mich an eine Maxime des alten Maxim Jakubowski: Hab immer
ein Auge auf deine Feinde. Ich würde den Beweis für seinen versuchten Verrat als
Trumpfkarte in der Hinterhand behalten und sie ausspielen, sobald mir der
geeignete Moment gekommen schien. Abgesehen davon war er eine billige
Arbeitskraft und konnte Bücherkisten stemmen, was mir wegen meines kaputten
Rückens verwehrt war. Manchmal musste man diese dunklen Momente für sich
arbeiten lassen: Der Fall der jüdischen Musikanten war eine düstere
Angelegenheit, und im Augenblick war ich genau in der richtigen Stimmung dafür;
und in Jeff, der endlose Recherchen für amnesty gewohnt war, fand ich
zumindest einen aufmerksamen Zuhörer. Er war die menschliche Entsprechung einer
Squashcourt-Wand; leer und weiß, aber gelegentlich in der Lage, den Ball in
interessanten Winkeln zurückzuwerfen.
    Daniels Erzählungen zufolge
hatte Rosemary einige Male Anne Smith in ihrem Haus in Hillsborough besucht, um
sie zu ermutigen, die Arbeit an ihrer Autobiografie abzuschließen. Anne war
hoch in den Achtzigern, nicht bei bester Gesundheit, und obwohl Rosemary das
Manuskript bereits für einigermaßen gelungen hielt, weigerte sich die Autorin,
es herauszugeben. Daniel hatte den größten Teil des Manuskripts selbst gelesen
und bezeichnete es als »nicht sonderlich spannend und nicht sehr gut geschrieben«.
    Dann geschah es bei einem von
Rosemarys Besuchen, dass Anne ein Tablett mit Kaffeegeschirr trug, stolperte
und alles zu Boden fiel. Anne reagierte, indem sie in fließendem Deutsch
fluchte. Als Rosemary sich erkundigte, wo sie ihre Aussprache dergestalt
perfektioniert hätte, teilte ihr Anne überraschend mit, das sei ihre Muttersprache,
und sie sei als Jüdin in Warschau aufgewachsen; ihre Mutter war Deutsche, ihr
Vater Pole. Ihr richtiger Name war auch nicht Anne Smith, sondern Anne Radek.
Als Teenager hatte sie ein Musikstudium absolviert, eine Stelle am Danziger
Symphonieorchester übernommen und dort ihr Debüt mit Chopins bemerkenswertem Minutenwalzer und seiner Revolutionsetüde gegeben. Sie beschrieb es als
ihr erstes und gleichzeitig letztes Konzert - doch dann verbesserte sie sich...
nein, es sei nicht wirklich ihr letzter Auftritt gewesen ... woraufhin ihr die
Tränen kamen.
    »Als Rosemary Anne fragte, was
sie damit meinte«, erklärte ich Jeff, »hat sie den Ärmel hochgekrempelt und
ihr die eintätowierte Nummer auf ihrem Arm gezeigt.«
    Natürlich war Rosemary
geschockt über diese Offenbarung - gleichzeitig war ihr unbegreiflich, wieso
Anne dieses Kapitel in ihren Memoiren unterschlagen hatte. Anne weigerte sich
zunächst, über die Ereignisse von damals zu sprechen, doch dann kam alles Stück
für Stück ans Tageslicht. Es war, wie Daniel meinte, eine Geschichte von unglaublichem
Mut und starkem Überlebenswillen - und eine recht surreale noch dazu, denn sie
gipfelte darin, dass Anne bei einer Weihnachtsaufführung in Auschwitz spielte,
die sowohl Lagerinsassen als auch SS-Wachmannschaften besuchten.
    »Meine Fresse«, bemerkte Jeff.
»Da müssen ja die Dollarzeichen in Rosemarys Augen geblinkt haben.«
    »Davon ist auszugehen.
Außerdem lenkt es unsere Nachforschungen in eine völlig neue Richtung.«
    »Inwiefern?« Doch dann fiel
der Groschen. »Du glaubst, diese Geschichte hat was mit Rosemarys Verschwinden
zu tun?«
    »Überleg doch mal. Sie fährt
nach Frankfurt, und sie erzählt diesem deutschen Verleger, dass sie ein Buch über eine Musikerin mit
einer interessanten Vergangenheit an der Hand hat. Sie kann ihm zwar nicht
allzu viel darüber berichten, weil sie selbst noch kaum was weiß; doch sie
verrät ihm vermutlich

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