Bateman, Colin
Tempo, dehnte sich
aus und zog sich wieder zusammen. Ich war einfach nicht für derlei Aufregungen
und Nervenkitzel geboren. Mein Herzschrittmacher konnte da vielleicht
mithalten, aber nicht mein Gehirn. Meine Beine fühlten sich an wie
Wackelpudding. Ich suchte Halt an der Theke.
»Was genau haben Sie ihm erzählt?«
»Ich habe ihm von Ihrer
Theorie berichtet, Annes Buch offenbare womöglich...«
»Vergessen Sie das Buch! Was
haben Sie ihm über mich gesagt?«
»Ich...«
»Haben Sie meinen Namen
erwähnt, oder wo ich arbeite?«
Er blickte verdutzt. »Es tut
mir leid, aber ich verstehe nicht ganz, welche Relevanz das in diesem Zusammenhang
...«
»Die Scheißrelevanz ist, dass Manfred womöglich
dem Killer verraten hat, wer ...«
In diesem Moment flog
plötzlich die Ladentür auf, und ich trat instinktiv einen Schritt zurück. Eine
völlig sinnlose Bewegung, wäre es tatsächlich ein Profikiller gewesen.
War es aber nicht. Es war
Alison. Die wunderschöne, entzückende Alison.
Sofort sagte ich: »Vielleicht
sollten wir einfach versuchen, die Nerven zu behalten, Mr. Trevor, und nochmal
in aller Ruhe die Fakten analysieren.«
»Was?«, fragte Trevor.
»Tut mir leid«, sagte Alison,
»ich wollte nicht stören. Nur Entschuldigung sagen. Wegen unseres kleinen Missverständnisses
neulich.«
»Einen kurzen Augenblick
bitte, bin gleich da«, flötete ich.
Nachdem ich Daniel Trevor auf
die Couch im hinteren Teil des Ladens verfrachtet hatte, kehrte ich zu Alison
zurück. Mit verschränkten Armen musterte ich sie, allerdings nicht ohne zuvor
den Kopf aus der Ladentür zu stecken und die Straße nach Fahrzeugen mit
fremdländischen Kennzeichen oder arisch aussehenden Männern mit ausgebeulten
Jacketts abzusuchen. »Also?«, fragte ich.
Sie trug eine weiße Bluse mit
Namensschildchen und einen engen schwarzen Rock. »Du wirkst irgendwie sauer«,
sagte sie. »Vielleicht besser ein andermal?«
»Nein, mir geht's gut.«
Sie kaute auf ihrer
Unterlippe. »Das Missverständnis. Mit dem Frappuccino.«
»Welcher Frappuccino?«
»Bitte. Ich versuch doch nur, mich zu
entschuldigen. Versteh doch, ich dachte, du machst mich vielleicht auf irgend
so eine perverse Art an. Ich kenne dich kaum, und dann redest du gleich ... na
ja, über so was. Und man liest ja dauernd was über solche Kerle. Ich hab
befürchtet, du würdest versuchen... Es war einfach ein bisschen bedrohlich.«
»Ist das deine Entschuldigung?
Denn die ist wirklich für den Arsch.«
Am liebsten hätte ich laut
herumgebrüllt. Nicht wegen ihr, sondern ganz allgemein. Mir war nach Schreien
und Toben zumute, weil die Menschen so bescheuert waren.
Aber dann schenkte sie mir ein
nervöses Lächeln - und das brach das Eis.
Ich lächelte zurück. Ich
konnte nicht anders, denn ich war in sie verliebt.
Meine ganze Angst, der
Schrecken und die Paranoia verflüchtigten sich. Sie hier vor mir zu sehen, war,
als ginge die Sonne auf. Schlagartig wurde mir klar, wie hirnrissig ich mich
aufführte. Manfred war gar nicht ermordet worden. Man hatte ihn weder erstochen, erschossen,
noch stranguliert, er war von einem Zug überrollt worden. Daniel hatte ja
erwähnt, der Mann war Alkoholiker, vermutlich war er gestolpert und
unglücklich gestürzt. Es war ein Unfall. Einzig aufgrund des Timings wirkte die Sache
verdächtig. Und was die Naziverschwörung betraf? Schon im Vorfeld war ich zu
der Schlussfolgerung gelangt, dass Odessa, falls diese Geheimorganisation
überhaupt noch existierte, sich aus Greisen mit kaputten Hüften und dicken
Brillen rekrutierte, und es bestand kein Anlass, diese Meinung jetzt zu
revidieren. Sollten sie nach Manfreds Liquidierung tatsächlich einen Killer
aus Frankfurt losgeschickt haben, hockte dieser vermutlich noch im Bus in Richtung
Schweiz, um dort seinen Ryanair-Flug zu erwischen. Und gesetzt den Fall, er
schaffte es je bis nach Belfast, waren seine Hände dann wahrscheinlich so
zittrig und arthritisch, dass er nicht mal mehr mit einer Panzerfaust ein
Scheunentor treffen würde. Es gab also nichts, über das ich mir Sorgen zu
machen brauchte. Ich musste einfach nur in der Realität geerdet bleiben. Mein
Psychiater hatte mir wiederholt eingeschärft, wie wichtig es war, nicht den
Kontakt zur Wirklichkeit zu verlieren. Rosemary war nach wie vor eine
gelangweilte Ehefrau, die durchgebrannt war; Manfred war zufällig bei einem Verkehrsunfall
gestorben; Daniel war ein gestresster Verleger, dem man Hörner aufgesetzt hatte
und der jetzt
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