Bateman, Colin
gar nicht
mitbekommen, dass du je im Laden gewesen bist.«
»O ja, gelegentlich. Aber du
bist nie da. Ich hab nur in der Mittagspause Zeit.«
»Jeff hat mir nichts davon
erzählt.«
»Warum sollte er auch?«
»Ja, warum sollte er.«
»Wie auch immer. Ist er also
so was wie dein Assistent bei der Verbrechensbekämpfung?«
»Nun ja, ich bin mehr so was
wie ein Privatdetektiv. Und Privatdetektive haben üblicherweise keine Assistenten.
Wir gehen diese dunkle Straße alleine.«
»Tust du das oft? Durch dunkle
Straßen gehen?«
»Nicht wirklich. Meistens
benutze ich das Internet.«
»Also kein Assistent. Schade.
Ich würde nämlich zu gerne mal als Assistentin arbeiten.«
»Andererseits ist das keine
unumstößliche Regel. In Wahrheit...«
»Holmes und Watson. Das
berühmteste Detektivpaar von allen.«
»Berühmt ist nicht immer
gleichbedeutend mit gut«, entgegnete ich.
»Du magst Holmes und Watson
nicht?«
»Sie waren innovativ, ganz
sicher, und inspirierend, das auch, und sie haben geholfen, den Kriminalroman
populär zu machen. Aber mich stört der... ähm... schwule Unterton.«
»Bei Sherlock Holmes? Wie kommst du denn darauf?«
»Er ist hinter allem zu spüren.« Sie schnaubte.
»Willst du mich auf den Arm nehmen?«
»Nein, überhaupt nicht. Ich
glaube ernsthaft, dass diese Bücher fast unlesbar sind, wegen ...« Aber dann
unterbrach ich mich. »Du fühlst dich doch nicht angegriffen?«
»Weswegen?«
»Ich meine, falls du eine... du weißt schon, wärst.«
»Macht das einen Unterschied?«
»Wobei?«
»Wenn ich deine Assistentin werden will?«
»Nein. Nein, überhaupt nicht. Also, bist du?«
»Warum willst du das wissen?«
»Nur so.« Ich merke immer
sofort, wenn ich rot werde, und ich bin mir ziemlich sicher, dass alle anderen
es auch bemerken. Es ist wie der Benzinpegel in einer Tankuhr. Es beginnt rund
um den Hals, steigt hoch zu den Ohren, breitet sich über die Wangen aus bis
hinauf zur Stirn. Rasch wechselte ich das Thema. »Magst du keinen Frappuccino?«
»Noch nie probiert. Ich mag nur Kaffee.«
»Schmeckt klasse, echt.« Ich
schob mein Glas über den Tisch und drehte den Strohhalm in ihre Richtung. »Nur
zu. Probier einen Schluck.«
»Nein. Nein danke.«
»Aber du weißt doch, wie man daran saugt, oder?«
»Ja, natürlich.«
»Du legst einfach die Lippen
um die Spitze und folgst deinem natürlichen Instinkt.«
Sie hielt meinem Blick volle
fünf Minuten stand, bis sie plötzlich den Strohhalm aus dem Glas riss.
»Das hier«, fauchte sie, »ist aber ein
ziemlich dürftiger Schwanz.«
Damit sprang sie auf,
schleuderte den Strohhalm in meine Richtung und stürmte aus dem Starbucks.
Eine Weile lang saß ich einfach nur da und studierte
die Speisekarte. Morgen war der Cinnamon Dolce Frappuccino an der Reihe.
14
Wenn mich private Probleme
runterziehen, finde ich immer Trost in der Arbeit, entweder im nie endenden
Ringen um das Überleben des Buchladens oder in meiner Teilzeitbeschäftigung als
Ermittler in mysteriösen Kriminalfällen. Eine durch Fehleinschätzung
hervorgerufene Katastrophe wie die im Starbucks wird durch das beruhigende
Wissen aufgewogen, dass genau in diesem schwarzen Moment der Erniedrigung und
Verzweiflung irgendwo jemand froh in die Hände klatscht und Gott für mein beherztes
Eingreifen dankt. Daher ist es meine übergeordnete Zielsetzung, keine Zeit auf
kurzlebige Einbahnstraßenbeziehungen zu verschwenden, sondern Licht an jene
Orte zu bringen, wo der Schatten regiert. Manchmal kommt es allerdings zu
gewissen Überschneidungen, und ich sehe mich genötigt, meine detektivischen
Fähigkeiten auf persönliche Probleme anzuwenden. So verspürte ich vor ein paar
Wochen ein ziemlich beunruhigendes Brennen in den Achselhöhlen. Anfänglich war
ich überzeugt, einer meiner dämonischen Widersacher hätte einen Giftanschlag
auf mich verübt. Jeder andere Verbrechensbekämpfer mit solchen Schmerzen hätte
natürlich sofort das Gesundheitsamt verständigt und auf einer Strahlungsmessung
bestanden oder zumindest die Notfallambulanz des nächsten Hospitals aufgesucht.
Da jedoch die Batterie im Kein-AIibi-Lieferwagen streikte und mein Allgemeinarzt
mir bei verschiedenen Gelegenheiten erklärt hatte, wie voll sein Terminkalender
war, beschloss ich, stattdessen Ruhe zu bewahren und nüchtern die Fakten zu
studieren. Eingehend analysierte ich die Situation, die Umstände, das Timing -
und kam nach gründlicher Überlegung zu dem Schluss, dass ich, weil ich
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